US-Präsident auf Blitzbesuch im Land seines Urururgroßvaters. Aus Sorge vor Aschewolke flog er bereits am Abend nach London

Dublin. Als die Präsidentenmaschine "Air Force One" gestern um 9.30 Uhr irischen Boden berührte, war das Wetter - irisch: heftiger Wind und Regen. Entsprechend hastig stiegen Barack Obama und seine Frau Michelle die Gangway hinunter, begrüßten ein paar irische Offizielle und verschwanden in "Marine One", dem Präsidentenhubschrauber - aber nicht ohne den Journalisten zuzurufen: "Die Sonne wird noch kommen, ich kann das spüren."

Das Gespür des Präsidenten erwies sich als richtig, wettertechnisch ebenso wie emotional sollte es warm werden. Ein Empfang bei der irischen Präsidentin Mary McAleese in ihrer Dubliner Residenz stand an, dann ein Gespräch mit Premierminister Enda Kenny, ein Eintrag ins Goldene Buch. Höflichkeiten, nette Worte, freundliche Gesten. "Ihre Majestät die Königin von England hierherkommen zu sehen ist ein Zeichen, nicht nur in England, nicht nur hier in Irland, sondern auf der ganzen Welt", sagte Obama mit Bezug auf den in vielerlei Hinsicht heilenden Besuch der Monarchin vor einer Woche. Aber dafür allein war Obama nicht auf die Grüne Insel gekommen.

Er kam auch deshalb nach "Emerald Isle", so die romantisch-patriotische Umschreibung des Belfaster Presbyterianers und Revolutionärs William Drennan für seine Heimat in einem Gedicht von 1795, um auf den Spuren der Vorfahren seiner irisch-amerikanischen Mutter zu wandeln. Er wollte den Ort besuchen, in dem sein Urururgroßvater mütterlicherseits geboren wurde. Die 24-Stunden-Visite war ein Heimspiel für den Präsidenten. Ihm begegnete der unverhohlene Stolz eines Volkes in der Krise auf einen seiner berühmtesten Söhne. Obama pries die "Blutsverwandtschaft" beider Länder: "Für Millionen irischstämmiger Amerikaner symbolisiert sie noch immer Heimat und außergewöhnliche Traditionen eines außergewöhnlichen Volkes."

Die 350-Seelen-Gemeinde Moneygall, 130 Kilometer von Dublin entfernt, hatte sich herausgeputzt für den hohen Gast. In Ollie Hayes's Bar hofften die Einheimischen, ein Guinness mit "Präsident O'Bama" trinken zu können, der so etwas angedeutet hatte und solche Begegnungen mit "normalen" Leuten in "normalen" Umgebungen schätzt. Henry Healy, Obamas 26 Jahre alter Cousin achten Grades, sagte im Radio, dass die Einwohner von Moneygall die Fassaden ihrer Häuser für den Gast frisch gestrichen hätten. Der Hersteller Dulux hatte 3500 Liter Farbe dafür gespendet. "Fast jeder US-Präsident kommt nach Irland, aber es ist schon etwas Besonderes, dass Präsident Obama sich tatsächlich auf persönliche Bindungen hierher berufen und seine Wurzeln bis nach Moneygall zurückverfolgen kann", so Healy. "1761 gab es eine Heirat zwischen Familienangehörigen der Healys und Kearneys", berichtete der Angestellte einer örtlichen Klempnerfirma dem "Daily Telegraph". Seine Großmutter Sarah Healy sei dann wohl Fünfachtel-Großmutter auch von Barack Obama, was seine Verbindung zu Irland fast ebenso eng mache wie die von John F. Kennedy, hat sich Healy ausgerechnet. Tatsächlich emigrierte JFKs Urgroßvater zwei Tage nachdem der Schuhmachersohn aus Moneygall das Schiff nach Amerika betrat - im gleichen Hafen.

Am Abend wollte der US-Präsident eigentlich unter freiem Himmel in Dublin eine Rede halten, zu der 20 000 Zuhörer erwartet wurden. Sorgen über die Aschewolke des isländischen Vulkans Grímsvötn haben Obama aber bewogen, früher als geplant seinen Irland-Besuch zu beenden. Er flog noch am Abend nach London, der zweiten Station seiner sechstägigen Europareise. In der britischen Hauptstadt wird er eine Rede vor beiden Häusern des Parlaments halten. Die Übernachtung wird wieder sehr komfortabel: zu Gast bei Königin Elizabeth II. im Buckingham-Palast.