Ein Selbstmordattentäter der Taliban hatte sich in einem Ausbildungszentrum der Grenzpolizei im Nordwesten Pakistans in die Luft gesprengt.

Shabqadar. Beim folgenschwersten Anschlag in Pakistan seit der Tötung von Al-Qaida-Führer Osama bin Laden sind am Freitag in einem Ausbildungszentrum der Grenzpolizei 80 Menschen getötet worden, darunter 66 Mitglieder des Grenzcorps. Weitere 120 Menschen wurden verletzt.

Zwei Selbstmordattentäter hätten Explosionen ausgelöst, die fast ausschließlich Rekruten des paramilitärischen Frontier-Corps in den Tod rissen, teilte die pakistanische Polizei mit. Dutzende seien verletzt worden. Die Täter sprengten sich vor dem Haupttor zu dem Zentrum in die Luft.

Zu den Anschlägen im Nordwesten des Landes im Bezirk Charsadda haben sich die Taliban bekannt. Die Aktion sei ein Racheakt für die Tötung des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden. Ein Sprecher der pakistanischen Taliban (TTP) namens Ehsanullah Ehsan sagte: "Dieser Angriff wurde ausgeführt, um Rache für das Märtyrertum von Osama bin Laden und für die Grausamkeiten der pakistanischen Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten zu üben.“

Die Grenzpolizei an der Grenze zu Afghanistan steht im direkten Kampf mit militanten Gruppen, die al-Qaida und Taliban angehören oder nahestehen. Militante Gruppen hatten nach der Tötung bin Ladens durch ein US-Spezialkommando in der pakistanischen Stadt Abottabad am 2. Mai Rache angedroht.

Ein Polizeisprecher, Nisar Khan, sagte, ein Selbstmordattentäter habe sich vor dem Haupteingang des Ausbildungszentrums in die Luft gesprengt. Der Mann sei etwa Anfang 20 gewesen. Die Ursache der anderen Explosion sei noch nicht bekannt.

Die meisten Rekruten waren gerade dabei, einen kurzen Heimaturlaub anzutreten, hieß es weiter. Ein Gemüsehändler sagte, viele hätten in weißen Minivans gesessen, andere hätten noch ihr Gepäck eingeladen. "Es gab eine große Explosion“, sagte er. "Ich sah Rauch, Blut und überall Körperteile.“

Es war der erste schwere Anschlag seit der Tötung Bin Ladens in Pakistan durch US-Spezialeinheiten vor elf Tagen. Ehsan kündigte am Freitag weitere Anschläge auf die Sicherheitskräfte an. "Wir warnen die Menschen davor, ihren Kindern zu erlauben, zur pakistanischen Armee oder den paramilitärischen Truppen zu gehen“, sagte der Sprecher. Die Taliban planten noch größere Anschläge gegen die Sicherheitskräfte in Kürze.

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Obama sieht Bin Ladens Tod als Wendemarke in der Nahost-Politik

Der Tod des Al-Qaida-Führers Osama Bin Laden durch die Kugeln amerikanischer Elitekrieger in Pakistan markiert für die Nahost-Politik des amerikanischen Präsidenten Barack Obama den Abschluss einer fast zehnjährigen Jagd - vor dem Hintergrund der Unruhen in der arabischen Welt zugleich aber eine Zeitenwende mit der Chance auf neue Strategien.

Wie die "New York Times" unter Berufung auf engste Mitarbeiter Obamas berichtete, will der Präsident den Tod Bin Ladens als Anlass für eine Neukalibrierung der amerikanischen Politik in der unruhigen Region nutzen.

Ein erster Schritt dazu könnte eine Grundsatzrede sein, die Obama in der kommenden Woche halten will. Benjamin Rhodes, einer seiner stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberater, sagte, die Botschaft dieser Rede werde sein: "Bin Laden ist die Vergangenheit; was in der Region jetzt passiert, ist jedoch die Zukunft."

Offenbar versucht der Staatschef, eine umfassende Theorie über die Volksaufstände von Tunesien bis Bahrain zu entwickeln. Die Experten der US-Regierung sortieren derzeit sorgfältig Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den einzelnen Staaten. Ferner hat der US-Präsident seinem Stab den Auftrag erteilt, gesellschaftliche Veränderungsprozesse der Vergangenheit in bis zu 60 Staaten zu untersuchen und Parallelen mit den aktuellen Vorgängen in der arabischen Welt herauszuarbeiten. Nach dem Bericht der "NYT" haben sie bereits herausgefunden, dass es einerseits Ähnlichkeiten zwischen Ägypten und Südkorea, den Philippinen und Chile gibt, andererseits zwischen Syrien und der Revolution in Rumänien 1989.

Allerdings gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen in der US-Regierung bezüglich der Lage in Arabien und der sich daraus ergebenen strategischen Optionen für Washington. Eine Denkschule ist der Meinung, die USA könnten nach der Eliminierung Bin Ladens nun mit größerem Druck auf politische Veränderungen in der Region drängen, da Ägypten, Syrien oder andere Staaten nicht mehr in Gefahr seien, dem islamischen Extremismus anheimzufallen. Andere Experten warnen jedoch, dass der Tod des Al-Qaida-Führers die etwa vom Jemen ausgehende Terrorgefahr keineswegs verringere, während die Vorgänge in Staaten wie Bahrain überhaupt nichts mit Bin Laden zu tun hätten.

Mit Material von dpa und dapd