Regime nimmt Wohnviertel unter Beschuss. Artilleriefeuer in Homs

Straßburg/Brüssel. Nach heftiger Kritik aus dem EU-Parlament will die Europäische Union nun auch so schnell wie möglich Sanktionen gegen den syrischen Staatschef Baschir al-Assad verhängen. "Wenn in Damaskus nicht sofort umgesteuert wird, müssen die Strafmaßnahmen gegen die Staatsspitze ausgeweitet werden", sagte ein EU-Diplomat. Dafür zeichne sich breite Zustimmung unter den Mitgliedstaaten ab. Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche könne die Entscheidung fallen. Die EU hatte am vergangenen Montag einen ersten Sanktionsbeschluss in Kraft gesetzt, der neben einem Waffenembargo nur Reiseverbote und Kontensperrungen für 13 Regimeangehörige bedeutet. Präsident Assad war vorerst - auch wegen des deutschen Widerstands - nicht unter den Betroffenen, allerdings sein Bruder Maher, der eine führende Rolle im Sicherheitsapparat spielt. Zur Begründung hieß es, man habe dem Präsidenten Zeit zum Reagieren geben wollen.

Wegen der zögerlichen Haltung war EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton im Europäischen Parlament unter Beschuss geraten. In dem Land seien schon 800 Demonstranten von Scharfschützen und Panzern getötet worden. "Das ist das arabische Tiananmen", sagte der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt. Dass trotzdem nur Sanktionen gegen 13 Personen beschlossen worden seien, sei "lächerlich". Er bezeichnete Präsident Assad als "brutalsten Diktator der Welt". Die EU müsse sofort auch gegen Assad persönlich so wie seine gesamte Familie Strafmaßnahmen verhängen, um Druck aufzubauen. "Hunderte Menschen müssen auf die Liste, sonst wird die EU von der syrischen Bevölkerung nicht ernst genommen."

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit forderte Ashton auf, mehr Druck auf die zögerlichen Hauptstädte zu machen: Wenn kein Sanktionsbeschluss gegen Assad zustande komme, "müssen Sie klar sagen, wer das verhindert", sagte er an die Adresse der EU-Chefdiplomatin gerichtet.

Ashton betonte, die Entscheidung für die Sanktionen habe einstimmig getroffen werden müssen. Sie werde aber weiter versuchen, den größtmöglichen Druck auf Syrien auszuüben, die Diskussionen mit den Mitgliedstaaten würden in dieser Woche fortgeführt.

Unbeeindruckt von den Sanktionen der EU geht die syrische Führung weiter mit Gewalt gegen die Protestbewegung vor. Die syrische Armee feuerte nach Angaben von Augenzeugen mit Artillerie auf ein Viertel in der Stadt Homs. Im arabischen TV-Sender al-Arabija und in den Internet-Foren der Opposition hieß es, zum Teil seien die Soldaten bei ihrem Angriff auf Gegenwehr gestoßen. In dem Viertel Baba Amro, in dem es in den vergangenen Wochen mehrfach Anti-Regime-Demonstrationen gegeben hatte, seien auch die Telefonleitungen und der Strom gekappt worden.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete unter Berufung auf einen Militärsprecher, am Vortag hätten die Sicherheitskräfte "Dutzende von Mitgliedern bewaffneter Terrorgruppen" bei Homs festgenommen. Sie hätten Waffen, Autos und 150 Motorräder beschlagnahmt.