Schüsse ohne Vorwarnung, schwerste Folterungen - das syrische Regime greift zu immer brutaleren Mitteln

Hamburg. Das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad greift zu immer härteren Maßnahmen, um die Oppositionsbewegung im Lande zum Schweigen zu bringen. Während Panzer und Bodentruppen in mehrere Hochburgen des Widerstandes eingerückt sind, haben Assad-Schergen damit begonnen, Hunderte Oppositionelle in Fußballstadien zu sperren.

Der Direktor der syrischen Menschenrechtsorganisation "Syrian Observatory for Human Rights", Rami Abdul-Rahman, sagte im US-Sender CNN, in den Städten Banias und Daraa hätten Soldaten und Geheimpolizisten Wohnhäuser gestürmt, Hunderte Menschen festgenommen und in die Stadien verschleppt. Es sei auch geschossen worden; in der Stadt Homs könnten Erschossene nicht beigesetzt werden, denn die Geheimpolizei fürchte, dass Beerdigungen zu Protestdemonstrationen genutzt werden könnten.

Wie Abdul-Rahman weiter sagte, würden einzelne Stadtteile von Panzertruppen abgeriegelt, Geheimpolizei kontrolliere streng jede Bewegung. Dutzende Menschen sind spurlos verschwunden. Im Dorf Marqab unweit von Banias versuchten Bürger, mit einer Menschenkette die Armee aufzuhalten, doch die Soldaten eröffneten nach Augenzeugenberichten einfach das Feuer. Mindestens vier Frauen sollen getötet und weitere verwundet worden sein.

Einer Delegation der Vereinten Nationen, die Hilfe für die belagerte Stadt Daraa organisieren wollte, wurde der Zugang verweigert - obwohl Staatschef Assad sich noch in der vergangenen Woche dazu bereit erklärt hatte, wie Uno-Sprecher Farhan Haq sagte.

Der Londoner "Telegraph" berichtete, das Regime gehe mit großer Brutalität auch gegen Internet-Aktivisten vor, die mithilfe von Twitter und anderen Netzwerken den Widerstand gegen Assad organisierten. Es hieß, viele dieser Aktivisten seien unter der Folter gezwungen worden, Passwörter zu verraten, mit denen die Regierung nun die Veröffentlichung im Netz torpedieren könne. "Die Kommunikationsstränge sind nahezu komplett abgeschnitten worden", klagte ein Aktivist. Die schwerster Folter unterzogenen Oppositionellen hätten auch Namen von Mitstreitern verraten, die nun ebenfalls von den Assad-Schergen gejagt würden. Der Iran soll seinem Verbündeten Syrien Technologie geliefert haben, mit der man Satellitenverbindungen blockieren könne, schrieb der "Telegraph".

Assads Sprecherin Bouthaina Shaaban sagte in Damaskus, die syrische Regierung habe nun die Oberhand im Kampf mit dem seit sieben Wochen andauernden Aufstand gewonnen. Sie nannte die Oppositionellen "Fundamentalisten, Extremisten, Schmuggler und ehemalige Sträflinge, die es gewohnt sind, Ärger zu machen". Man könne eben zu Menschen, die eine Rebellion anführten, "nicht sehr nett sein", sagte Shaaban. Dennoch sei sie gebeten worden, Gespräche mit den Dissidenten aufzunehmen.

Am Vortag hatte die Europäische Union erste konkrete Strafmaßnahmen gegen die syrische Regierung beschlossen. Dazu zählen ein Einreiseverbot für 13 Mitglieder des Regimes, die für die Verfolgung von Oppositionellen verantwortlich gemacht werden, sowie ein Waffenembargo. Assad selber steht nicht auf dieser Liste, allerdings sein Bruder Maher, Chef der Präsidentengarde, und ein weiterer Verwandter. Auch Geheimdienstchef Ali Mamlouk und Innenminister Mohammed Ibrahim al-Chaar sind betroffen. EU-Außenkommissarin Catherine Ashton drohte Damaskus angesichts der Brutalität des Regimes mit einer Ausweitung der Sanktionen "auf die höchste Führungsebene" - also auf Assad selber. Ashton forderte ein Ende der Unterdrückung und "echte, nachvollziehbare politische Reformen".

Es wird geschätzt, dass bislang mindestens 800 Menschen getötet und mehr als 8000 festgenommen wurden. Beobachter vermuten, dass Assad die Konzentration vor allem der US-Medien auf al-Qaida und die Tötung Osama Bin Ladens genutzt hat, um vollendete Tatsachen zu schaffen. "Der syrische Augenarzt (Assad) zeigt sich in der Lage, die amerikanische Kurzsichtigkeit richtig zu diagnostizieren", kommentierte Michael Rubin, Analyst der konservativen Washingtoner Denkfabrik "American Enterprise Institute".