Nur 40 Minuten dauerte die Blitzaktion der US-Spezialeinheiten. Jetzt ist der Terror-Chef tot. Doch Fragen bleiben

Hamburg. Osama Bin Laden ist tot. Vor allem der Westen atmet auf. Mehr als zehn Jahre haben die USA ihren größten Feind gejagt. Doch war die Tötung des Al-Qaida-Chefs völkerrechtlich gedeckt? Und war wirklich Bin Laden der Getötete? Das Abendblatt klärt die Fragen, die nach der Kommandoaktion im Raum stehen.

Ist die "gezielte Tötung" Bin Ladens völkerrechtlich gedeckt?

Zumindest Barack Obama ist sich sicher: "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan worden", sagte der US-Präsident. Doch nach Ansicht des Völkerrechtlers Christian Tomuschat hätten sich die USA darum bemühen müssen, Bin Laden lebend gefangen zu nehmen. "Falls es sich um eine gezielte Tötung gehandelt haben sollte, ist das unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich", sagte Tomuschat. Vor allem sei zu fragen, ob andere Menschen bei der Aktion umgekommen seien. Entscheidend sei auch, ob Bin Laden Widerstand leistete oder die Spezialeinheiten ihn gleich an Ort und Stelle erledigen wollten. Für bedenklich hält Tomuschat auch, dass es für den Betroffenen einer "gezielten Tötung" im Normalfall kein ordentliches Gerichtsverfahren gebe. Der Fall "Bin Laden" sei allerdings eine "besondere Situation". Denn der Al-Qaida-Chef habe sich öffentlich "gerühmt" für Anschläge. Mit der Unschuldsvermutung ist es bei ihm nicht weit her.

Warum wurde Bin Laden auf See bestattet?

Nach den Regeln des Islam muss die Leiche eines Muslims von männlichen Glaubensbrüdern gewaschen und möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod bestattet werden. Für gewöhnlich wird der Leichnam in ein weißes Tuch gehüllt, auch bei einer Seebestattung. Nachdem Spezialkräfte der US-Armee den Al-Qaida-Chef getötet hatten, wurde seine Leiche laut Medienberichten im Meer beigesetzt - nach Angaben der US-Regierung im Einklang mit ebendiesen muslimischen Traditionen. Doch eine Seebestattung sei im Islam unüblich, sagte der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen e. V., Ramazan Kuruyüz. "Es sei denn, es handelt sich um eine Notsituation. Etwa wenn jemand auf dem Meer gestorben ist und es keine Möglichkeit gibt, den Leichnam an Land zu bringen." Offensichtlich wollte die Regierung von US-Präsident Obama mit der Seebestattung einen Streit um die Beisetzung verhindern - und auch dafür sorgen, dass es keinen Wallfahrtsort für radikale Islamisten zum Grab Bin Ladens gibt.

Wer hat Osama Bin Laden erschossen?

Sie sind klein, sie sind flexibel und schlagen gezielt zu. Die Navy-SEAL, eine Spezialeinheit der US-Armee, hat Osama Bin Laden getötet. SEAL steht hier für Sea, Air, Land. Die Eliteeinheit der US-Marine ist etwa 2450 Mann stark. Die Aufgaben reichen von der Minenräumung bis zur amphibischen Aufklärung und der Sabotage an Schiffen oder Hafenanlagen. Für Kommandoaufträge auf dem Festland starten die zu Eliten ausgebildeten Kämpfer von kleinen Schiffen und U-Booten aus oder springen mit Fallschirmen ab. Die US-Spezialkräfte kamen im Schutz der Dunkelheit, um das Versteck von Bin Laden zu stürmen. Mit zwei Hubschraubern landeten sie auf dem abgeschirmten Anwesen in Abbottabad rund 60 Kilometer nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.

Wurde wirklich Bin Laden getötet?

Nur wenige Stunden nach der Nachricht über den Tod Osama Bin Ladens kursierte im Internet ein erstes Foto der Leiche. Das Gesicht verstümmelt, die Haut mit Blut verschmiert. Doch das Bild ist eine Fälschung: Die Fotomontage tauchte bereits vor Jahren im Netz auf. Zwar fehlt der öffentliche Beweis für den Tod Bin Ladens, dennoch besteht kaum Zweifel daran, dass er der Getötete ist. Kurz vor seiner Tötung durch US-Spezialkräfte soll er nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums von seiner Ehefrau namentlich identifiziert worden sein. Auch der pakistanische Geheimdienst ISI bestätigte die Identität. Um Gewissheit zu bekommen, prüfen die USA nun Bin Ladens DNA per Gentest. Erste Ergebnisse bestätigen laut US-Regierung die Identität des Terror-Paten.

Ist es klug von den USA, den Triumph über Bin Laden so offen zu feiern?

Aus Sicht der Afghanistan-Expertin Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin könnte ein zu triumphales Auftreten der US-amerikanischen Politiker in einigen arabischen Staaten als Demütigung empfunden werden. So sprach der frühere US-Präsident George W. Bush nach der Tötung Bin Ladens von einem Sieg für Amerika. "Ich halte diese offenen Bekundungen nicht für sehr geschickt", sagte Maaß.

Dies gehe an die Ehre von Gesellschaften, die sehr stark durch diesen Ehrbegriff geprägt seien. "Ich habe jetzt extra den Islam nicht primär genannt, weil das nicht eine islamische Eigenschaft ist." Stattdessen handele es sich beim Begriff der Ehre um einen kulturellen Wert und nicht unbedingt um einen religiösen, betonte Maaß.