Die Jagd auf Christopher “Dudus“ Coke erschüttert Karibik-Insel

Jamaika. Christopher "Dudus" Coke (41) hat sich gegen eine Übermacht von mehr als 1000 Polizisten und Soldaten in seinem Viertel Tivoli Gardens verschanzt, um sich mithilfe seiner Anhänger gegen eine Auslieferung an die USA zu stemmen. Mit blutiger Gewalt: Mindestens 60 Polizisten, Soldaten und Zivilisten starben, seit Premierminister Bruce Golding am Sonntag den Ausnahmezustand über West Kingston verhängte, um des Gangsterbosses habhaft zu werden.

Bereits im August vergangenen Jahres hatten die USA einen Auslieferungsantrag gestellt. Doch hatte sich die Regierung von Golding gesträubt. Der Premier selbst hat seinen Wahlkreis in Tivoli Gardens, das, weil Coke es beherrscht, auch dessen kleine Republik genannt wird. Viele Menschen dort verehren "Dudus", wie sie ihn nennen, wegen seiner Wohltaten und weil er für Ordnung sorgt. Tivoli Gardens ist der Stadtteil mit der geringsten Kriminalitätsrate in Jamaikas Hauptstadt.

Es ist jamaikanische Tradition, dass die beiden politischen Parteien, die sich an der Macht abwechseln, die Stadtviertel in den Innenstädten der Karibikinseln beherrschen. Dabei pflegen sie jeweils Allianzen mit den dortigen Banden einzugehen, um ihre Macht abzusichern und Wahlsiege zu organisieren. Nach und nach haben in den vergangenen Jahren Drogenbosse, die "Dons", die Macht übernommen. Coke ist der einflussreichste von ihnen.

Mit dem Angriff auf Tivoli Gardens wird erstmals der Versuch unternommen, der organisierten Kriminalität, die sich des Landes bemächtigt hat, ernsthaft die Stirn zu bieten. Allerdings ist noch nicht sicher, ob der Kampf um Cokes Republik tatsächlich zu einem Wendepunkt in der Geschichte Jamaikas wird. "Die Verfilzung der Kriminalität mit beiden Parteien ist sehr stark", sagt ein politischer Analyst.

Der Drogenhandel bleibt für das arme Land eine wichtige Einnahmequelle. In Jamaika wird Marihuana produziert, konsumiert und exportiert. Außerdem ist die Insel eine wichtige Drehscheibe für den Drogenschmuggel von Süd- nach Nordamerika und Europa.

Die Auseinandersetzungen konzentrieren sich auf das Zentrum Kingstons und vor allem auf Tivoli Gardens. "In den übrigen Stadtteilen ist alles weitgehend normal", sagte ein Augenzeuge. Und in den Touristenzentren im Norden sei von den Ereignissen in Kingston nichts zu spüren.