Umfragen sehen Labour vor der Wahl hoffnungslos im Rückstand

Hamburg/London. Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Großbritannien hat sich Premierminister Gordon Brown ein weiteres Mal als sein gefährlichster Gegner erwiesen. Bei einem Wahlkampfauftritt im nordwestenglischen Rochdale hatte Brown medienwirksam und scheinbar geduldig mit einer alten Witwe über seine Politik diskutiert - um hinterher über die Frau zu lästern, die "völlig verbohrt" sei. Das Treffen mit ihr sei eine Katastrophe gewesen und hätte niemals stattfinden dürfen, schimpfte ein aufgebrachter Premier. Brown hatte übersehen, dass er noch das Mikrofon am Anzug trug; sein Wutausbruch wurde landesweit gesendet. Da half es wenig, dass sich der Premier tief zerknirscht bei der Witwe entschuldigte - der Publicity-Schaden war da. Brown räumte ein, nun "um sein Leben zu kämpfen"; für den Fehler zahle er "einen hohen Preis".

Im Endspurt der Wahlen am 6. Mai liegen Brown und seine Labour-Partei nun abgeschlagen zurück. Die Konservativen unter ihrem smarten Parteichef David Cameron liegen mit geschätzten 38 Prozent derzeit in Umfragen zehn Prozentpunkte vor Labour. Die Liberaldemokraten unter Nick Clegg sind ein wenig zurückgefallen, könnten aber zweite Kraft nach den Tories werden. Clegg wie auch einige Kommentatoren sehen nun ein "Rennen mit zwei Pferden" voraus - Cameron gegen Clegg. David Cameron warnte seine Partei vor verfrühtem Siegesgeschrei, meinte aber zugleich, er denke jetzt nur noch daran, "den Sieg zu sichern". Brown sei eine "geschrumpfte Figur" , die sich verzweifelt an die Schlüssel der Downing Street Nummer 10 klammere.

Ein weiterer schwerer Schlag für Gordon Brown ist, dass gleich mehrere große Zeitungen und andere britische Medien ihm die Unterstützung aufkündigten. "The Times" und ihr Schwesterblatt "Sunday Times" sowie einige andere Blätter warben nun für Cameron und seine Tories; "Guardian" und "Observer" sicherten dagegen Clegg und den Liberaldemokraten ihre Unterstützung zu.

Im Falle einer verheerenden Niederlage der seit 13 Jahren regierenden Labour-Partei dürfte das Schicksal von Brown auch als Parteichef besiegelt sein. Er hatte vor drei Jahren die Nachfolge von Tony Blair angetreten - ohne gewählt worden zu sein. Zwar empfiehlt sich der Premier als Finanzexperte, doch halten ihm Kritiker vor, dass er zehn Jahre als Finanzminister jenes Debakel angezettelt hat, vor dem sein Land nun steht. Großbritannien ist mit umgerechnet 187 Milliarden Euro verschuldet; das Defizit ist fast so hoch wie das griechische, Experten befürchten bereits eine Herabstufung der Ratings. Doch alle drei Parteichefs wollen vor der Wahl offenbar keine konkreten Sparpläne mit einschneidenden Maßnahmen für die Bürger ankündigen.