Berlin. Der Fehlerquotient für Deutsch-Aufsätze fällt in Schleswig-Holstein künftig weg – doch Experten warnen, ein falsches Signal zu senden.

Wie man das Wort „Sauerteig-Ciabatta“ schreibt, dürfte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien nicht extra gegoogelt haben, bevor sie einen ihrer jüngsten Tweets bei X (vormals Twitter)veröffentlicht hat. Denn selbst wenn sie den Namen der italienischen Brotsorte falsch geschrieben hätte, abgesehen von ein paar bissigen Kommentaren hätte das wohl kaum Konsequenzen gehabt. So ähnlich soll es bei Rechtschreibfehlern künftig auch in Schulen Schleswig-Holsteins laufen.

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In dem nördlichen Bundesland ist ab dem kommendem Schuljahr nicht mehr die Anzahl der Rechtschreibfehler entscheidend für die Bewertung einer Arbeit im Deutsch-Unterricht. Denn für die Schülerinnen und Schüler entfällt zum Schuljahr 2024/2025 der sogenannte Fehlerquotient zur Bewertung der Rechtschreibkompetenzen. „Unabhängig davon bleibt die Bewertung der Rechtschreibung und Zeichensetzung weiterhin wichtiger Bestandteil der Note“, sagte Prien am Dienstag.

Bislang erhalten Schülerinnen und Schüler der Abiturjahrgänge beispielsweise nur noch die Note „Zwei“, wenn sie einen Rechtschreibfehler auf 149 Wörter machen. Ist es einer auf 99 Wörter, gibt es nur noch die Note „Drei“. Für niedrigere Klassenstufen gelten andere Quotienten. In der dritten Klasse dürfen laut NDR auf 100 Wörter noch 4,5 Fehler gemacht werden, um die Bestnote zu erhalten. Um eine Vorstellung zu bekommen, wie hoch die Anforderung an Abiturienten ist, hier ein Text in 149 Wörtern, den Sie für die Note „Eins“ fehlerfrei aufschreiben müssten:

Rechtschreibung bezeichnet das Normensystem, das die korrekte Schreibweise von Wörtern und die Setzung von Zeichen in einer Sprache festlegt. Weil sich Sprache ständig weiterentwickelt, unterliegt mit ihr auch die Rechtschreibung stetiger Veränderung. So werden immer wieder Reformen nötig, um Regeln an den aktuellen Sprachgebrauch anzupassen. Das Erlernen der Rechtschreibung ist ein zentraler Bestandteil der schulischen Bildung und erfordert häufig Übung und Geduld. Korrektes Schreiben bildet die Basis für ein erfolgreiches berufliches und akademisches Fortkommen. Eine einheitliche Rechtschreibung ermöglicht es, Texte ohne Missverständnisse zu verstehen, und ist somit essenziell für die überregionale und internationale Kommunikation. Traditionell werden Rechtschreibkenntnisse durch Lesen und Schreiben geschärft. In der digitalen Ära unterstützen Rechtschreibprüfungen die Menschen, aber das Bewusstsein für Orthografie sollte erhalten bleiben, um unabhängig von einer Technologie klar und korrekt kommunizieren zu können. Während zur Kreativität in der sprachlichen Ausdrucksweise ermutigt wird, bleibt die Einhaltung orthografischer Regeln ein Zeichen von Professionalität und Sorgfalt.
ChatGPT

„Didaktisch ist der Wegfall des überkommenen Fehlerquotienten durchaus sinnvoll, weil die Schülerinnen und Schüler zukünftig eine qualitative Rückmeldung erhalten über Fehlerschwerpunkte und über die Systematik ihrer Fehler“, sagte Prien. Zudem könnten Lehrkräfte gerechter die Rechtschreibkompetenzen bewerten.

Rechtschreibung vermitteln – mehr als „bloßes Fehlerzählen“

Wie genau die Bewertung der Rechtschreibung gerechter funktionieren soll, entwickelt das Ministerium gerade noch. „Basis ist ein differenzierter Analysebogen, den das Ministerium aktuell entwickelt und den Lehrkräften zum neuen Schuljahr zur Verfügung stellt. Also: Differenzierte Rückmeldung an die Schülerinnen und Schüler statt bloßes Fehlerzählen.“ Die CDU-Politikerin betonte, dass die „Vermittlung von Rechtschreib- und Zeichensetzungskompetenz weiterhin zentral“ bleibe.

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Nach Angaben des Bildungsministeriums ist Schleswig-Holstein neben Hessen aktuell ohnehin das einzige Bundesland, das überhaupt noch einen Fehlerquotienten zur Bewertung der Rechtschreibkompetenz verwendet. Hintergrund ist eine bundesweite Vereinheitlichung der Prüfungsbedingungen.

Trotzdem hält sich die Begeisterung bei Experten in Grenzen. Die Vorsitzende des Philologenverbandes, Kirsten Schmöckel, hält die Abschaffung des Fehlerquotienten für ein „zweischneidiges Signal“. Dem NDR sagte sie, man dürfe sich nicht darauf verlassen, dass Künstliche Intelligenz und Textverarbeitungsprogramme heutzutage die korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung schon richten werden.