Berlin. Terroristen haben Stützpunkte der iranischen Revolutionsgarden angegriffen, es gab mehrere Tote. Gerät das Regime ins Wanken?

In einem dramatischen Vorfall in der Provinz Sistan und Belutschistan im Südosten des Iran sind zahlreiche Militäreinrichtungen ins Visier der islamistischen Gruppe Dschaisch al-Adl geraten. In der Nacht auf Donnerstag startete die Gruppe eine koordinierte Offensive gegen mehrere Stützpunkte. Mohammad Pakpour, der Kommandant der Bodenstreitkräfte der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), gab bekannt, dass die Angriffe um Mitternacht eingeleitet wurden.

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Elf Sicherheitskräfte fielen den Angriffen zum Opfer, darunter zwei Polizeibeamte, zwei Grenzwächter und sieben Angehörige der Revolutionsgarde, so berichtet die staatliche Nachrichtenagentur IRNA. Des Weiteren soll es 15 Todesopfer aufseiten der Angreifer geben. Gleichzeitig bestätigten Berichte der Nachrichtenagentur Mehr, die der Revolutionsgarde nahesteht, dass die Miliz drei simultane „Terrorangriffe“ auf Polizei- und Militäreinrichtungen in den Städten Tschahbahar und Rask durchgeführt habe.

Iran: Volatile Verhältnisse in der Region

Die jüngsten Konfrontationen offenbaren einmal mehr die volatilen Verhältnisse in der Region. Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens zufolge hat sich die Situation mittlerweile entspannt. Der stellvertretende Innenminister der Islamischen Republik, Majid Mirahmadi, erklärte am Donnerstagnachmittag, dass die Auseinandersetzungen beendet wurden und die Lage wieder unter Kontrolle sei. Der Telegram-Kanal von Dschaisch al-Adl hingegen behauptet, dass die Kämpfe in der Stadt Rask weiterhin andauern würden.

Majid Mirahmadi führte in einem Interview mit dem staatlichen Rundfunk weiter aus, dass nach ersten Erkenntnissen der Geheimdienste die Terroristen keine iranischen Staatsbürger sind. Die Untersuchungen zur Nationalität und Identität der Angreifer dauern noch an. Zudem deutete Mirahmadi an, dass die Anzahl toter Angreifer möglicherweise auf 19 steigen könnte.

Eine fragile Region im Fokus: Die Provinz Sistan und Belutschistan hat in den letzten Jahren eine Zunahme an militanten Aktivitäten gesehen, die das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der dortigen sunnitischen Bevölkerungsmehrheit und dem schiitisch geprägten Regime in Teheran weiter belastet.

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Iran: Terrorgruppe intensiviert ihre Aktivitäten

Die sunnitische Miliz Dschaisch al-Adl kämpft seit 2012 mit Waffengewalt gegen die Islamische Republik Iran. Die Mitglieder stammen größtenteils von der Gruppierung Dschundollah ab, die zwischen 2002 und 2010 ähnliche Angriffe in der Region verübte. Nachdem der Anführer von Dschundollah, Abdolmalek Rigi, im Jahre 2010 vom iranischen Geheimdienst festgenommen und hingerichtet wurde, formierten sich seine Anhänger neu und gründeten Dschaisch al-Adl. In den vergangenen Monaten intensivierten sich die Aktivitäten der Gruppe; bereits im Dezember des Vorjahres führten sie einen tödlichen Angriff auf eine Polizeiwache in Rask durch, bei dem mindestens zehn Polizisten getötet wurden.

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Die Provinz Sistan und Belutschistan, mehrheitlich bevölkert von sunnitischen Bürgern, gilt als eine der unterentwickeltsten und ärmsten Regionen im Iran. Viele Einwohner haben ihren Lebensunterhalt als Landwirte in den vergangenen Jahren anhaltende Dürreperioden verloren. Die schiitische Regierung der Islamischen Republik steht der ethnischen Minderheit der Belutschen skeptisch gegenüber und sieht in ihr eine potenzielle Bedrohung für die territoriale Integrität des Landes. Dies hat zu einem überdurchschnittlichen Maß an staatlicher Gewalt und Unterdrückung in Sistan und Belutschistan geführt – die Provinz weist beispielsweise einen der höchsten Anteile an Hinrichtungen im Land auf.

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Zudem war die Region auch im Jahr 2022 ein Schauplatz ernsthafter Unruhen, als Tausende auf die Straße gingen, um gegen die Regierung zu protestieren. Ein belutschischer Aktivist aus Zahedan, der Hauptstadt der Provinz, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, äußerte sich kritisch: „Militärische Aktivitäten gegen das islamische Regime genießen nicht die Unterstützung der Mehrheit in der Region. Sie führen nur zu verstärkten Unterdrückungsmaßnahmen durch das Regime und erschweren es friedlichen Aktivisten erheblich, Widerstand gegen die islamische Republik zu leisten.“