Berlin. Sahra Wagenknecht, die AfD-Bezwingerin? Darauf hoffen viele. Doch Wagenknechts möglicher Erfolg könnte Kollateralschäden verursachen.

Zu Beginn dieses Wahljahres ist Sahra Wagenknecht für viele Menschen so etwas wie eine unerwartete Hoffnungsträgerin. Die einen sehen in ihr eine Politikerin, die endlich denen ein Angebot macht, die wirtschaftspolitisch eher links, gesellschafts- und vor allem migrationspolitisch aber eher rechts ticken.

Die anderen halten zwar wenig von ihr politisch, hoffen aber taktisch auf ihren Erfolg: Bei der Europawahl, vor allem bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, so das Kalkül, könnte Wagenknecht mit ihrem Kurs die AfD genügend Stimmen kosten, um diese als stärkste Kraft zu verhindern.

Umfragedaten zum „Bündnis Sahra Wagenknecht“, einer Partei, die es bisher noch gar nicht gab, sind mit Vorsicht zu betrachten. Doch was an Daten da ist, legt nahe, dass das durchaus gelingen könnte. Wagenknecht schließt eine Lücke im deutschen Parteiensystem – und trifft auf große Sympathien auch bei Anhängern der AfD.

Sahra Wagenknecht ist nicht die Retterin zersplitternder demokratischer Kultur

Sollte es ihr gelingen, einen Triumph der Rechtsextremisten abzuwenden, wäre das an sich ein Gewinn. Doch man sollte nicht den Fehler machen, in ihr deshalb eine Retterin der splitternden demokratischen Kultur zu ahnen.

Als in der vergangenen Woche ein Mob Vizekanzler Robert Habeck auf einer privaten Reise bedrängte (und nebenbei auch andere Fährgäste einschüchterte), kritisierte Wagenknecht im Anschluss nicht etwa diejenigen, die für die Entgleisung verantwortlich waren. Stattdessen warf sie dem bedrohten Minister vor, „weinerlich“ zu sein.

Nach einem Gewinn für den fairen politischen Wettbewerb klingt das nicht. Eine weitere Partei, die populistische Impulse bedient und die demokratische Konkurrenz verächtlich macht, heißt deshalb wohl vor allem: mehr Populismus. Dann eben nicht mehr nur von rechts, sondern auch noch von schräg links. Im Ergebnis steigt der Druck auf alle Parteien dazwischen. Die Mitte droht gefressen zu werden.