Berlin. Argentinien macht den „Anarchokapitalisten“ Milei zum Präsidenten. Doch die radikale Denkschule heißt für die Demokratie nichts Gutes.

Mit der Wahl von Javier Milei hat sich Argentinien für einen Populisten an der Spitze des Landes entschieden, dem gerne das Attribut eines „Anarchokapitalisten“ verliehen wird. Was zunächst wie eine Wortneuschöpfung klingt, die den designierten Präsidenten in seinen vielfältigen Facetten beschreibt, ist tatsächlich eine theoretische Denkschule. Sie geht weiter als libertäre Vorstellungen, die staatliches Handeln maximal beschränken wollen. Der Anarchokapitalismus will de facto die Abschaffung des Staates.

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Aus der Verbindung der Wörter Kapitalismus und Anarchie verbindet die Denkschule ihre mitunter radikale Annahme: Der freie Markt sollte das gesellschaftliche Zusammenleben regeln. Der Staat hingegen unterwirft seine Bürger unrechtmäßiger Gewalt, etwa in Form von Steuern. Damit verkennt der Anarchokapitalismus grundlegende Prinzipien hiesiger Vorstellungen von Demokratie, bei der die Rechtsstaatlichkeit das gesellschaftliche Zusammenleben strukturiert.

Der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entworfene und später insbesondere durch den Ökonom Murray Rothbard entwickelte Begriff des Anarchokapitalismus geht also von der radikalen Selbstbestimmung eines jeden Menschen aus. Gepaart mit der totalen Kontrolle über Privateigentum, dürfe beides von staatlicher Seite nicht angetastet werden.

Anarchokapitalismus: Private Sicherheitsfirmen schützen Freiheit und Eigentum

Verfechter des Anarchokapitalismus sehen es nicht als Aufgabe des in ihren Augen gewalttätigen Staates, Eigentum zu schützen. Vielmehr könne auch hier der freie Markt eingreifen. Dieser habe aus wirtschaftlicher Perspektive sogar mehr Interesse daran, Eigentum zu schützen. Was in rechtsstaatlichen Systemen also Sicherheitsbehörden wie der Polizei oder dem Militär obliegt, könnten im Anarchokapitalismus private Sicherheitsunternehmen übernehmen.

„Anarchokapitalist“ Milei gewinnt Präsidentenwahl in Argentinien

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    In jüngster Vergangenheit prägte der deutsch-österreichische Ökonom Hans-Hermann Hoppe die arnarchokapitalistische Debatte, etwa in seinem Buch „Demokratie. Der Gott, der keiner ist.“ Wie der Titel vermuten lässt, geht Hoppe darin hart mit der auch in Deutschland herrschenden Regierungsform ins Gericht. In einem Interview mit der rechtskonservativen Zeitung „Junge Freiheit“ beschrieb er sich einst selbst als „Feind des demokratischen Staates.“ Jener Staatsform also, mit deren Hilfe sich der künftige Präsident Argentiniens soeben an die Spitze des Landes wählen ließ.

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