Berlin. Russland will einen nuklear angetriebenen Marschflugkörper getestet haben. “Erfolgreich“, wie Präsident Putin am Donnerstag verkündete.

Russland hat kürzlich offenbar seinen nuklearen Marschflugkörper "Burewestnik" getestet. Machthaber Wladimir Putin sagte Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur RIA zufolge, "der letzte erfolgreiche Test der Burewestnik ist abgeschlossen". Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Vor wenigen Tagen hatte die "New York Times" bereits über einen bevorstehenden oder bereits durchgeführten Test der Rakete berichtet. Ein Investigativ-Team der Zeitung hatte Satellitenbilder und Luftfahrtdaten ausgewertet.

Die Aufnahmen zeigen Bewegungen von russischen Flugzeugen und Fahrzeugen auf und nahe einer entlegenen Basis in der Arktis; die Aktivitäten seien vergleichbar mit solchen aus den Jahren 2017 und 2018, als Russland die "Burewestnik", zu Deutsch "Sturmvogel", getestet hat, schrieb die "Times".

Testet Russland seinen "Sturmvogel"?

Die Bilder wurden am 20. und 28. September aufgenommen. Auf dem ersten halten sich mehrere Fahrzeuge auf der Startrampe auf, unter anderem eine Zugmaschine samt Anhänger, der zu den Abmessungen des Marschflugkörpers passt. Ein Wetterschutz sei zudem bewegt worden. Ein am Nachmittag des 20. September geschossenes Satellitenbild zeigt die Startrampe leer, und der Wetterschutz steht wieder auf seiner ursprünglichen Stelle.

Auf dem Tage später aufgenommenen Satellitenbild tauchen Zugmaschine und Anhänger auf, der Wetterschutz war abermals bewegt worden.

Dazu habe es Flüge von US-Überwachungsfliegern in der Gegend gegeben und offizielle Überflugwarnungen. Piloten sei geraten worden, das Gebiet rund um die Startrampe zu meiden. Die Rede war von einer "vorübergehenden Gefahrenzone". Russland hatte die Warnung mehrfach erneuert.

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Weiter seien zwei russische Beobachtungsflugzeuge rund 160 Kilometer entfernt von der Startrampe geparkt worden. Die Maschinen dienen dem "Times"-Bericht zufolge dazu, Daten von Raketenstarts zu sammeln. Bei Tests des nuklearen Marschflugkörpers im Jahr 2018 seien Flugzeuge desselben Typs in der Nähe gewesen.

Unklar war, ob Russland wirklich den "Burewestnik" – Nato-Codename SSC-X9 Skyfall – getestet hat oder nur Teile der Rakete. Die "Times" schrieb, dies sei wegen der hohen Geheimhaltungsstufe rund um das Raketenprogamm schwer zu beurteilen. Das Weiße Haus hatte sich nicht zu einem möglichen Test der Waffe äußern wollen.

"Stealth-Rakete " mit nahezu unbegrenzter Reichweite

Der nukleare Marschflugkörper gehört zu einer Reihe von experimentellen Wunderwaffen, die Russlands Machthaber Wladimir Putin im Jahr 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Putin sprach damals von einer tieffliegenden "Stealth-Rakete, die einen Atomsprengkopf tragen kann und nahezu unbegrenzte Reichweite besitzt". So eine Waffe könnte, theoretisch, mehrere Tage in der Luft bleiben, der Raketenabwehr entgehen und ihren Sprengkopf zu einer unvorhersehbarer Stelle transportieren.

In der Praxis hat bislang noch kein Staat einen nuklearen Raketenantrieb erfolgreich eingesetzt, schreiben Experten der "Nuclear Threat Initiative", NTI, eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Washington, D.C., die sich der Friedenssicherung verschrieben hat.

Von solchen Raketen geht, zusätzlich zum Sprengkopf, großes Risiko aus: Radioaktives Material könnte während des Fluges austreten. So offenbar bereits während eines Tests der "Burewestnik" im Jahr 2017 geschehen.

"Burewestnik" weit von der Wirklichkeit entfernt

So furchteinflößend die Rakete, ihre angestrebten Fähigkeiten und potentiellen Risiken klingen mögen: Experten sind sich einig, dass Russland noch weit entfernt davon ist, seine nuklear angetriebene "Stealth-Rakete" ernsthaft seinem Waffenarsenal hinzuzufügen.

Aus einem gutem Dutzend Tests flog "Burewestnik" bislang im erfolgreichsten Versuch höchstens zwei Minuten lang, bevor die Rakete nach 35 Kilometern abstürzte.

In einem anderen Test stürzte "Burewestnik" im Jahr 2019 kurz nach dem Start in das Weiße Meer. Bei einem Bergungsversuch explodierte die Rakete schließlich und tötete sieben Menschen.

Die Experten der NTI schreiben in ihrer aus dem Jahr 2019 stammenden Bewertung dazu lapidar: "Sieht man sich die Geschichte nuklearer Raketenantriebe an, erscheint ein Einsatz eines tatsächlichen "Burewestnik"-System innerhalb eines Jahrzehnts sehr unwahrscheinlich."

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