Moskau. In einer russische-besetzten Zone soll es bei einer Schießerei zwischen Russen und Tschetschenen Tote geben. Die Hintergründe sind unklar.

Da war wohl mächtig Alkohol im Spiel und nun läuft das Spiel um die Deutungshoheit: Mindestens elf Menschen, darunter vier russische Soldaten, sollen bei einer Schießerei zwischen tschetschenischen und russischen Soldaten in einem Dorf bei Mariupol im Süden der Ukraine getötet worden sein. Dies berichtete die britische "Times", unter Berufung auf ukrainische Quellen.

Iwan Topusow, der von Russland eingesetzte Chef der Region, bestätigte die Schießerei in den sozialen Medien. Tschetscheniens Informationsminister Achmed Dudajew indes bezeichnete die ukrainischen Berichte als "billige Lügen", schreibt das Online-Medium Meduza.

Der Anführer der Tschetschenen Ramsan Kadyrow (Mitte) nimmt mit einigen seiner Gefolgsleuten an einem Frühlingsfest teil.
Der Anführer der Tschetschenen Ramsan Kadyrow (Mitte) nimmt mit einigen seiner Gefolgsleuten an einem Frühlingsfest teil. © imago/ITAR-TASS | IMAGO/Yelena Afonina

Denn trotz dieser vermeintlichen Schießerei: Eigentlich stehen die Ahmat-Kämpfer des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow fest an der Seite der russischen Armee. Gemäß Kadyrows Pressedienst seien seit Beginn der Kämpfe mehr als 28.000 Soldaten, darunter 13.000 Freiwillige, aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien in das Kampfgebiet entsandt worden. Derzeit stünden über 7000 Kämpfer an vorderster Front. "Tschetschenische Kräfte stellen einen relativ kleinen, aber prominenten Teil der russischen Streitkräfte in der Ukraine dar", gibt das britische Verteidigungsministerium zu Protokoll.

Die russische Führung zeigt sich extrem entgegenkommend

Ramsan Kadyrow gilt als glühender Befürworter der "Spezialoperation" – wie der Angriff auf die Ukraine auf russischer Seite genannt wird. Aber der Tschetschene hat auch seinen eigenen Kopf. Nach der ukrainischen Rückeroberung der Stadt Lyman ging Kadyrow den verantwortlichen russischen Befehlshaber direkt an.

Dieser setzte Soldaten ein, sagte Kadyrow, versorgte sie jedoch nicht mit der erforderlichen Munition. Konsequenzen hatte eine derart harsche Kritik nicht. Im Gegenteil: Wegen seiner "Verdienste" in den Kämpfen wurde Kadyrow zum Generaloberst befördert. Russlands Präsident Wladimir Putin braucht Kadyrow. Er hält Tschetschenien fest im Griff, unterdrückt jede separatistische Bestrebung. Eine weitere militärische Front, ein abtrünniges Tschetschenien, kann sich Kremlchef Putin ganz gewiss nicht leisten.

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Hofiert von Russlands Präsident Wladimir Putin: Der Anführer der tschetschenischen Kämpfer, Ramsan Kadyrow, traf den Kremlchef persönlich. Er kämpft für die Russen in der Ukraine.
Hofiert von Russlands Präsident Wladimir Putin: Der Anführer der tschetschenischen Kämpfer, Ramsan Kadyrow, traf den Kremlchef persönlich. Er kämpft für die Russen in der Ukraine. © AFP | ALEXEY NIKOLSKY

Deshalb wird Kadyrow von Russlands Führung umworben. Anfang August reiste Juri Tschaika, Putins Gesandter für den Nordkaukasus, nach Tschetschenien, um Ramsan Kadyrow einen Dankesbrief des Kremls zu überreichen. Kadyrows Mutter erhielt einen Ehrenorden, seine Frau die Auszeichnung "Mutter Heldin".

Aber auch handfestere Belohnungen für die Loyalität Kadyrows gibt es. Sein Neffe Jakub Sakrijew, stellvertretender Ministerpräsident in Tschetschenien, übernimmt die Leitung von Danone Russland, schreibt die Nachrichtenagentur Interfax. Der französische Konzern mit dreizehn Fabriken und 7500 Mitarbeitern in Russland hatte sich aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen.

Tschetschenen-Anführer geht gnadenlos gegen Minderheiten vor

Ramsan Kadyrow ist für seinen autoritären Führungsstil in Tschetschenien bekannt. Er folgte seinem 2004 ermordeten Vater Ahmat nach. Mitte der 1990er-Jahre kämpften Vater und Sohn Kadyrow noch im ersten Tschetschenien-Krieg gegen Russland. Im zweiten Tschetschenien-Krieg wechselten sie die Seiten, zu dieser Zeit begann auch der Aufstieg Ramsans.

Er regiert die Teilrepublik mit eiserner Hand, vorgeworfen werden ihm Folter, Entführungen und Morde. Homosexuelle werden laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen wie "Human Rights Watch" verfolgt und in spezielle Gefängnisse gesperrt.

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