Berlin. Präsident Erdogan und sein Rivale Kilicdaroglu müssen in die Stichwahl. Ein Ultranationalist könnte das Zünglein an der Waage sein.

Am Montag läuft ein Mann mit dunklem Bürstenhaarschnitt lachend durch die Straßen von Ankara. Anhänger umringen ihn. Es ist Sinan Ogan, der Kandidat der ultranationalistischen Ata-Allianz bei der türkischen Präsidentschaftswahl. Gut fünf Prozent der Stimmen hat er am Sonntag geholt, mehr als ein Achtungserfolg. Der 55-Jährige ist nun eine Art Königsmacher im türkischen Wahlprozess.

Da weder Präsident Recep Tayyip Erdogan noch sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu 50 Prozent der Stimmen erhalten haben, kommt es am 28. Mai zur Stichwahl. Wenn die knapp drei Millionen Ogan-Wähler geschlossen für Erdogan votieren, hat der amtierende Präsident definitiv gewonnen. Laufen sie ins Kilicdaroglu-Lager über, riecht es in der Türkei nach einem Machtwechsel.

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Onan hat sich noch nicht auf eine Wahlempfehlung festgelegt. Er will mit seinen Mitstreitern das weitere Vorgehen ausloten. Der dritte Mann im Wahlrennen gibt sich kryptisch: „Unser Volk kann beruhigt sein. Wir werden niemals zulassen, dass die Türkei in eine Krise gerät“, sagte Ogan in der Nacht zu Montag.

Türkei: Die Anhänger der Ata-Allianz gelten als Protestwähler

Allerdings stehen die Wähler der ultranationalistischen Ata-Allianz sehr weit rechts. Sie sind ideologisch Erdogans AKP-MHP-Koalition näher als der CHP von Kilicdaroglu. Gegenüber dem „Spiegel“ nannte Ogan eine Reihe von Bedingungen für die Unterstützung eines Präsidentschaftskandidaten. Demnach wolle er nicht, dass Verfassungsgrundsätze verletzt werden, betonte er. Er verwies auf jene Grundsätze, die die Integrität des Staates betreffen – die Republik, die Amtssprache und die türkische Identität.

Fordert eine restriktive Flüchtlingspolitik: Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz.
Fordert eine restriktive Flüchtlingspolitik: Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz. © dpa | BURHAN OZBILICI

Zudem fordert die Ata-Allianz eine restriktive Flüchtlingspolitik. Das wollen allerdings sowohl Erdogan als auch Kilicdaroglu. Ogan habe laut „Spiegel“ außerdem verlangt, dass die prokurdische, islamistische Partei Hüda Par und die prokurdische, linke HDP künftig keine Rolle in der türkischen Politik spielen dürften. Für Kilicdaroglu ist das eine Bedingung, die er kaum erfüllen kann. Er ist auch in der Stichwahl auf die Stimmen der Kurden angewiesen. Die HDP hatte sich bereits vor dem ersten Wahlgang für ihn ausgesprochen.

Ogan: 2015 machte er Front gegen einen Erdogan-freundlichen Kurs

Ogan dementierte später zwar via Twitter die Kurden-Passage. Doch „Spiegel“-Korrespondent Maximilian Popp beharrte darauf, dass die Kurden-Äußerung eine der Bedingungen Ogans gewesen sei. Eine andere Frage ist allerdings, ob sich die Wähler Ogans überhaupt an eine Empfehlung für die zweite Runde halten würden. Die Anhänger der Ata-Allianz gelten als Protestwähler.

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Ogan selbst hat ein eher ruckelige Polit-Karriere. Er entstammt einer Familie aserbaidschanischer Herkunft und studierte Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften an der Marmara-Universität in Istanbul. 2009 errang er einen Doktortitel am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen.

2011 wurde Ogan für die rechtsextremistische MHP Abgeordneter im türkischen Parlament. 2015 zerstritt er sich mit MHP-Chef Devlet Bahceli, der auf einen Erdogan-freundlichen Kurs eingeschwenkt war. Das lehnte Ogan ab. Nach seiner Kritik wurde er aus der MHP ausgeschlossen, durfte aber nach einem erfolgreichen Gerichtsverfahren zurück. Im März 2017 musste er erneut die Partei verlassen.