Washington. Die Anklage gegen Trump ist riskant – auch, weil andere Vergehen schwerer wiegen. Einen Fehlschuss kann sich Amerika nicht leisten.

Wer einem ehemaligen US-Präsidenten mit dem Strafrecht beikommen will, hat nur einen „Schuss“ frei. Nach der Anklage gegen Donald Trump, die seit Dienstag Amerika und die Welt bewegt, bestehen Zweifel, ob der Schuss sitzen wird, den Staatsanwalt Alvin Bragg mit Hilfe einer Geschworenen-Jury auf einen der umstrittensten Politiker der Neuzeit abgegeben hat.

Schon unter Juristen gelten die vorgehaltenen Verfehlungen als kompliziert bis konstruiert. Die breite Bevölkerung, nicht nur die republikanische, wittert politisch motivierte Schikane gegen einen ebenso verhassten wie verehrten Populisten. Das ist nie von Vorteil.

Die Anklageschrift gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, warum der seit fünf Jahren bekannte Sachverhalt der mutmaßlich illegal abgerechneten Schweigegeld-Zahlungen an ehemalige Sex-Partnerinnen Trumps ausgerechnet heute prozessreif sein soll. Braggs Vorgänger und das Justizministerium sahen das anders.

Dirk Hautkapp ist USA-Korrespondent
Dirk Hautkapp ist USA-Korrespondent © Privat | Hamburger

Anklage wegen vergleichsweise geringfügiger Vergehen könnte sich rächen

Der Verdacht, dass der favorisierte Kandidat der Republikaner vor der Wahl 2024 wegen eines vergleichsweise geringfügigen Vergehens demontiert werden soll, tut der Sache nicht gut. Darunter werden weitere Staatsanwälte leiden.

Es könnte sich nun rächen, dass New York nicht anderen Justiz-Einheiten den Vortritt gelassen hat. Trumps Klau von geheimen Staatsdokumenten, seine versuchte nachträgliche Wahlfälschung im Bundesstaat Georgia und die Rolle als Ideengeber für den tödlichen Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 sind von ganz anderem Kaliber.

Diese Fälle zeigen unabweisbar, dass Trump ein Demokratie-Verächter ersten Ranges ist. Wenn er an die Hebel der Macht zurückkehren würde, wäre Amerika tatsächlich da, wo Trump das Land schon heute wähnt: in der Hölle.