London. Humza Yousaf ist 37 Jahre alt, Sohn pakistanischer Einwanderer - und der neue Chef der schottischen Nationalisten. Sturgeons Ära endet.

Der Favorit gewann am Ende, wenn auch sehr knapp. Humza Yousaf wurde am Montag Nachmittag zum neuen Vorsitzenden des Schottischen Nationalpartei SNP gewählt. Er erhielt 52 Prozent der Stimmen, die zweitplatzierte Kate Forbes 48 Prozent, nachdem Schlusslicht Ash Regan in der ersten Runde eliminiert worden war. Yousafs Wahlsieg bedeutet auch, dass er in den kommenden Tagen als Erster Minister vereidigt wird. Die Ära seiner Vorgängerin Nicola Sturgeon ist damit endgültig zu Ende.

„Ich fühle mich wie der glücklichste Mensch der Welt“, sagte Yousaf nach seiner Wahl. Auch die meisten SNP-Abgeordneten dürften erleichtert sein: Yousaf galt als der Kontinuitäts-Kandidat, er hatte die überwältigende Unterstützung der gewählten SNP-Vertreter, sowohl im Parlament von Edinburgh wie auch in Westminster.

Yousaf wird der erste nicht-weiße Vorsitzende der SNP

Der 37-jährige war bereits ein bekanntes Gesicht in der schottischen Politik. Er zählt zum sozialliberalen Flügel seiner Partei und hatte in den letzten Jahren mehrere Ministerposten inne, zuletzt war er Gesundheitsminister. Geboren in Glasgow als Sohn pakistanischer Einwanderer, wird Yousaf der erste nicht-weiße Vorsitzende der SNP sein. „Heute haben wir ein klares Signal gesendet, dass Hautfarbe oder Religion kein Hindernis sein sollte, um ein Land anzuführen, das man seine Heimat nennt“, sagte Yousaf.

Humza Yousaf (2.v.r) mit seiner Frau Nadia El-Nakla und Familie im Murrayfield-Stadion, nachdem bekannt gegeben wurde, dass er der neue Vorsitzende der Scottish National Party (SNP) ist und der nächste Erste Minister von Schottland werden wird.
Humza Yousaf (2.v.r) mit seiner Frau Nadia El-Nakla und Familie im Murrayfield-Stadion, nachdem bekannt gegeben wurde, dass er der neue Vorsitzende der Scottish National Party (SNP) ist und der nächste Erste Minister von Schottland werden wird. © dpa | Andrew Milligan

In der Stunde seines Siegs hatte der neu gewählte Vorsitzende nur warme Worte für seine zwei Rivalinnen. „Ihr habt beide unglaublich hart gearbeitet“, sagte er. Allerdings sind die vergangenen Wochen andere als harmonisch verlaufen – und innerhalb der Partei sind tiefe Risse sichtbar geworden.

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Der Führungskampf war eine bissige Angelegenheit, voll von Feindseligkeit und gegenseitigen Attacken. „Als Sie Transportminister waren, waren die Züge nie pünktlich, und als Sie Gesundheitsminister waren, waren die Wartelisten so lang wie nie zuvor“, warf Kate Forbes ihrem Gegenspieler Yousaf während einer TV-Debatte vor.

Rücktritt von Sturgeon ließ Disziplin in SNP Partei zusammenbrechen

Dabei war die SNP bislang für ihre parteiinterne Disziplin bekannt gewesen. Verglichen mit den konstanten Flügelkämpfen, die Labour und den Tories zu schaffen machen, schien die Partei eine Insel der Harmonie. Das verdankt sich zu einem guten Teil ihren beeindruckenden Wahlerfolgen: Die Siege des vergangenen Jahrzehnts ermöglichten es der SNP, Streitigkeiten beiseite zu schieben oder zumindest vor der Öffentlichkeit zu verstecken.

Aber nach Sturgeons plötzlichen Abgang Mitte Februar ist diese Disziplin völlig zusammengebrochen. Die verschiedenen Parteiflügel entsprechen in groben Umrissen den unterschiedlichen Wählergruppen, die die SNP ansprechen will: ehemalige Labour-Anhänger, denen die linksliberale Stoßrichtung gefiel; eher sozialkonservative Nationalisten, die sich von einer SNP-Regierung die besten Chancen ausrechneten, die schottische Unabhängigkeit zu erlangen; und Vertreter der Unternehmenswelt, die von der Parteiführung in den letzten Jahren zunehmend umworben wurden.

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Unabhängigkeit Schottlands liegt scheinbar in weiter Ferne

Es ist zweifelhaft, ob Humza Yousaf es schaffen wird, diese Wählergruppen beisammenzuhalten – und die Knappheit seines Siegs wird diese Aufgabe nicht einfacher machen. Ein weiteres Problem für ihn liegt darin, dass das übergeordnete Ziel der Unabhängigkeit mittlerweile in weite Ferne gerückt ist.

Bislang konnten Differenzen heruntergespielt werden, weil sich zumindest alle in der SNP auf das wichtigste Ziel konzentrieren konnten: Schottland muss ein eigenständiger Staat werden. Aber die Regierung in London blockiert ein zweites Unabhängigkeitsreferendum, und es ist nicht ersichtlich, was für andere Optionen der schottischen Regionalregierung bleiben.

Yousaf versprach dennoch, weiterhin auf die Unabhängigkeit hinzuarbeiten. Er werde zu diesem Zweck eine „Bürgerbewegung“ aufbauen und dafür sorgen, dass die Kampagne für die Eigenstaatlichkeit „im fünften Gang“ ist.