Berlin. Die Forderungen der Frauen sind wichtig – nicht nur am Weltfrauentag. Eine andere Sprache allein reicht nicht, findet unser Autor.

„Woher kommt er eigentlich, dieser skurrile 8. März, an dem die Frauen lauwarmen Sekt im Büro trinken und die immergleichen Sprüche in der Politik zu hören bekommen?“ Diese Frage stellte Alice Schwarzer schon vor über zehn Jahren und forderte die Abschaffung des Frauentages, bevor er überhaupt in Berlin zum Feiertag wurde. Der Frauentag – die einen halten ihn für einen wichtigen Gedenktag, der der Gleichberechtigung etwas Feierliches verleihen soll. Die anderen sehen in ihm ein Feigenblatt der Gleichberechtigung und verachten ihn. Eine symbolische Schmeichelei statt der realen Gleichberechtigung – so urteilte Schwarzer damals.

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Der Frauentag als peinliche Schwester des peinlichen Muttertags, so nehmen ihn viele Frauen und Männer im Westen wahr. Im Osten, wo Gleichberechtigung für Frauen viel Mehrbelastung, aber auch finanzielle Gerechtigkeit war, ist er dagegen eine liebgewordene Tradition, die man sich nicht wegnehmen lässt. Deutschland tut sich schwer mit Symbolen der Gleichberechtigung. Nicht nur mit dem Feiertag, auch mit der Sprache. Gendersternchen, Unterstriche, der Doppelpunkt, die Sprechpause – blickt man auf die massive Veränderung der Art und Weise, wie wir reden, könnte man glauben: Die Gleichberechtigung hat ihre ultimative Verwirklichung erreicht. Doch es ist ein Trugschluss, ein schöner Schein.

Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin.
Jörg Quoos, Chefredakteur Funke Zentralredaktion Berlin. © Dirk Bruniecki

Gendern verbessert nicht die Lebensbedingungen

Von echter Gleichberechtigung ist Deutschland im Jahr 2023 weit entfernt. Egal, ob es um gerechte Bezahlung oder die Beteiligung an Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik oder Verwaltung geht. Oder um die gerechte Aufteilung der Arbeit, die in Familien anfällt. Die Bilanz ist für Frauen, trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren, bescheiden. Niemand – weder Frau noch Mann – darf mit dem Erreichten zufrieden sein. Ja, durch das Gendern hat die Gleichberechtigung einen Sound der Selbstverständlichkeit bekommen. Aber als Mann möchte man die Frauen warnen: Dass Männer ihre Sprache ändern, ist noch lange kein Nachweis dafür, dass sie Gleichberechtigung wirklich wollen. „Talk is cheap“ (Reden ist billig) ist eine Weisheit, die schon der Mega-Macho Keith Richards predigte. Nur wenn den neuen Worten wirklich Konsequenzen und Taten folgen, hat sich die Sprachverbiegung gelohnt.

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Frauen sollten nicht den Fehler begehen, sich auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung für Symbole zu verkämpfen. Dabei verlieren sie nur Kraft für die entscheidenden Schlachten. Und es verstellt den Blick auf ehrliche Mitstreiter. Wer als männliche Führungskraft nicht immer die korrekten Worte findet, aber seine Mitarbeiterinnen fair bezahlt, Rücksicht auf ihre Bedürfnisse als Mutter nimmt und sie ganz selbstverständlich in der Hierarchie fördert, ist für die Gleichberechtigung wertvoller als die Gender-Blender, bei denen sich Empathie für Frauen in politisch korrekter Ansprache erschöpft.

Quoten dienen als Krücke zur echten Gleichstellung

Alle Forderungen, die Frauen stellen, sind berechtigt. Auch die nach den Quoten, die als Krücke dienen, um die lahmsten Männer endlich zu bewegen. Es ist ein großes Problem, wenn wichtige Gremien überwiegend mit Männern besetzt sind. Es ist aber kein Problem, wenn im Bundeskabinett ein Mann zu viel sitzt, weil die Vorgängerin versagt hat. So etwas muss Gleichberechtigung aushalten. Selbstverständlich auch im umgekehrten Fall – sonst schadet sie dem Gemeinwohl. Apropos Quote: Wetten, dass Männer sich nicht mit 50 Prozent zufriedengegeben hätten, wären sie über Jahrhunderte derart benachteiligt worden? Sogar im Kampf um die Gleichberechtigung sind Frauen erstaunlich bescheiden geblieben.