Berlin. Vor Studenten in Ghana wirbt Bundesfinanzminister Lindner für die Arbeit in Deutschland. Die Rückmeldung überrascht ihn dann selbst.

Der Fachkräftemangel in Deutschland wächst sich in mittlerweile fast allen Branchen zum ernsten Problem aus. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat jetzt vor Studierenden an einer Universität in Ghana für den Wirtschaftsstandort Deutschland geworben. Die Reaktionen auf seinen Vortrag überraschten ihn selbst.

Bei der Rede in einem Hörsaal einer Hochschule in Ghanas Hauptstadt Accra zählt Lindner auf Englisch auf: Man könne in der Industrie arbeiten, in der Technologie, in der IT, im öffentlichen Dienst. Ein Ausschnitt seines Auftritts ist bei Twitter zu sehen. "Bitte heben Sie Ihre Hand: Für wen wäre das eine Option?"

Christian Lindner in Ghana: So reagieren die Studierenden auf ihn

Der Hörsaal ist nicht sonderlich gut gefüllt, mindestens ein Drittel der Sitzplätze ist frei. Zögerlich gehen einige Hände hoch. Lindner hatte offenbar mit mehr Euphorie gerechnet: "Okay", sagt er. Er deutet in die Richtung von ein paar Studierenden, die sich gemeldet haben. "Ich schreib' mir Ihre Nummern auf", sagt er. Großes Gelächter unter den Studierenden. Lindner dreht sich um und prüft die Lage: Nein, mehr haben sich tatsächlich nicht gemeldet. "Nur so wenige?", fragt er, offenkundig überrascht.

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Lindners Vortrag und sein Werben unterstreichen zwei Dinge: Deutschland braucht Fachkräfte aus dem Ausland, und zwar dringend. Doch, und das ist der zweite Aspekt, die Bundesrepublik ist bei jungen Menschen im Ausland offenbar längst nicht so beliebt wie die Bundesregierung lange Zeit dachte. Unter dem Mitschnitt-Tweet des ZDF finden sich denn auch einschlägige Kommentare. "So geil sind wir nämlich für ausländische Fachkräfte gar nicht", schreibt ein Berliner. Ein anderer Nutzer kommentiert: "Ich kenne viele aus dem IT-Bereich, die sich gegen D entschieden haben. Rassismus, Arroganz und Bürokratie sind einige Gründe." Auch interessant: Urlaub streichen: Darf Arbeitgeber genehmigte Urlaubstage streichen?

Andere verweisen auf den relativ hohen Grad der Digitalisierung in Ghana, den eigenen Fachkräfte-Bedarf des Landes sowie darauf, dass die wichtigste Amtssprache Englisch sei – womit sich Bewerberinnen und Bewerber naturgemäß eher für englischsprachige Länder wie die USA, Großbritannien, Kanada und Irland interessieren würden.

NameChristian Lindner
Geburtsdatum7. Januar 1979
SternzeichenSteinbock
AmtFDP-Vorsitzender, Finanzminister
ParteiFDP
Parteimitglied seit1995
FamilienstandVerheiratet
Größe1,86 Meter
WohnortBerlin

Ein Dozent von der TU Dresden wiegelt dagegen ab: "Wenn ich im Audimax irgendetwas frage, passiert idR so wie hier zunächst gar nichts. Ist eine Großveranstaltung mit eigenartigem Setting. Zeigt für mich, dass ghanaische Studies ähnlich ticken wie unsere. Mehr nicht." Ein anderer schreibt über eigene Erfahrungen in Ghana: Öffentlich äußere man sich dort in der Regel nicht zu solchen Themen. "Daraus würde ich keine Rückschlüsse auf Lindner oder die Attraktivität Deutschlands schließen." Lesen Sie auch: USA: Warum sieben Millionen Männer nicht arbeiten wollen.

Fachkräftemangel: Nahles übt Kritik an Bundesregierung

Dass Deutschland ein Problem hat bei der internationalen Fachkräftegewinnung, steht auch unter Experten außer Frage. Aus Sicht der Arbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles reichen die bisherigen Pläne der Ampel-Koalition nicht aus. Es gebe noch zu viele "Nadelöhre", sagte Nahles der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie mahnt wieder und wieder, es brauche eine Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr, um die Zahl potenzieller Erwerbstätiger stabil zu halten. Mehr zum Thema: Studie: Ohne Zuwanderung und spätere Rente fehlen Fachkräfte

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Die Bundesregierung will die Lücke an Fachkräften in Deutschland künftig auch mit viel mehr Arbeitskräften aus dem Ausland füllen. Es sollen verstärkt Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ohne anerkannten Abschluss ins Land kommen dürfen. Auswahlkriterien sollen etwa Berufserfahrung oder Deutschlandbezug sein. (mja/mit Material von dpa)