Rom. Italien will unabhängiger vom russischen Gas werden und setzt auch auf ein als LGN-Terminal ausgerüstetes Schiff. Doch wohin damit?

„Nicht in meinem Hafen“: Mit diesem Slogan protestieren Bürgerverbände und Umweltschutzaktivisten seit Wochen gegen Pläne der Regierung in Italien, ein als LGN-Terminal ausgerüstetes Schiff im Hafen der toskanischen Stadt Piombino in Betrieb zu nehmen. Damit will die Regierung unabhängiger vom russischen Gas werden.

300 Meter lang und 40 Meter breit ist die von dem italienischen Gaskonzern SNAM betriebene Gasverflüssigungsanlage im Hafen Piombino, die ab kommenden Frühjahr installiert werden soll. Ein Teil des Hafens soll abgeriegelt werden, um dem Schiff „Golar Tundra“ Raum zu schaffen.

Gas: Ist durch das LNG-Terminal der Tourismus in Gefahr?

330 Millionen Euro hat SNAM für die Anlage mit einer Wiederverdampfungskapazität von fünf Milliarden Kubikmetern pro Jahr gezahlt, was sechs Prozent des italienischen Gasbedarfs entspricht. Wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen, die um den LGN-Terminal ergriffen werden müssen, muss Teil des Hafens komplett abgeriegelt werden. Das gilt als Affront für eine auf Stahlindustrie fokussierte Stadt, die eine schwere Wirtschaftskrise erlitten hat und jetzt verstärkt auf Tourismus und Fischerei setzen will.

Von Piombino starten die Fähren in Richtung Insel Elba und Korsika, Scharen von Touristen belagern täglich die Stadt. „Die Positionierung der Gasverflüssigungsanlage im Hafen von Piombino ist eine falsche Wahl“, warnt Bürgermeister Francesco Ferrari. Er teilt die Bedenken der Umweltschutzverbände, laut denen das Schiff eine Gefahr sei.

Gas: Protest gegen das „Monsterschiff“

Die Staatsräson reicht nicht aus, um die Zweifel und Ängste der Bewohner Piombinos zu zerstreuen. „Warum muss das Schiff ausgerechnet hier vor Anker liegen? Als eine Hauptstadt der Stahlindustrie in Italien hatten wir in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin genug Umweltbelastung, wir wollen jetzt keine weiteren Probleme mehr“, betonen Mitglieder der Bürgerverbände, die gegen den LGN-Terminal protestieren.

Der Protest gegen das „Monsterschiff“ vereint ideologisch unterschiedliche Parteien, von Linkskräften bis zur neofastischen Partei „Brüder Italiens“. Auch die Hafengewerkschaften haben sich dem Kampf angeschlossen.

„Die Regierung versichert, dass der LNG-Terminal absolut sicher sei, für uns ist er eine Zeitbombe“, warnt Massimo, ein Ex-Fischer, der jetzt im Hafen von Piombino arbeitet. Die Gemeinde Piombino und die Region Toskana fordern vom Gasversorger SNAM jetzt mehr Informationen über die Auswirkungen der LGN-Terminals auf die Umwelt und die Wasserqualität und hoffen damit Zeit zu gewinnen.

Regierung in Rom bleibt hart

„Es ist richtig, dass wir nicht mehr von Putin abhängen wollen, aber wir hegen große Zweifel, dass ein Schiff in unserem Hafen sicher ist“, sagt Paolo Brancaleone, während er die beschädigten Netze seines Fischerboots repariert. „Ich habe mindestens 40 Freunde, die in den Muschel- oder Seebrassenfarmen arbeiten.

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Die Restaurants im Zentrum sind voll, in den letzten Jahren hat sich ein gesunder Tourismus entwickelt, der Arbeit schafft. Warum sollen wir all dies aufs Spiel setzen?“, fragt er. Wie Brancaleone denken viele Fischer, die sich in den vergangenen Tagen am Protest gegen den LGN-Terminal beteiligt haben.

Die Regierung in Rom bleibt hart. Premier Mario Draghi prangerte den Protest in Piombino an. „Man kann nicht verlangen, Energiesicherheit für die Italiener zu wollen, aber gleichzeitig dann gegen Gasinfrastrukturen zu protestieren. Es handelt sich um sichere Anlagen, die für unseren Energiebedarf und die Aufrechterhaltung unserer Produktionsstruktur unerlässlich sind“, sagt Draghi.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.