Brüssel. Mit dem Teil-Ölembargo entgeht die EU nur knapp einer Blamage, meint unser Kommentator. Die Lasten müssen besser gemanagt werden.

Ob das den russischen Präsidenten Putin wirklich ausreichend beeindruckt? Die EU hat sich zwar doch noch auf ein Ölembargo gegen Russland verständigt, das die Kriegskosten für Putin weiter in die Höhe treiben soll. Aber die Einigung hat bedenklich viel Kraft gekostet. Sie kam nur zustande, weil sich die EU-Regierungschefs den Forderungen von Ungarns Premier Orban gebeugt haben: Ungarn und einige Nachbarländer sind von dem Importverbot erstmal ausgenommen.

Wie lange, ist völlig unklar: Um bloß nicht mit leeren Händen dazustehen, hat der Brüsseler EU-Gipfel die entscheidende Frage einfach ausgeklammert – der Streit über die Dauer der Ausnahmen geht hinter den Kulissen weiter. Erst das Gezerre, jetzt die Notlösung eines Teil-Embargos: Das wirft kein gutes Licht auf die Handlungsfähigkeit der EU in der Ukraine-Krise.

Jetzt auch noch ein Gasembargo? Das wird so schnell nicht kommen

Viel hätte nicht gefehlt zur Blamage. Die Einigkeit, die das vereinte Europa zu Beginn des Krieges gezeigt hat, muss also nicht von Dauer sein: Je länger in Osteuropa gekämpft wird, je stärker die Sanktionen gegen Moskau auch die eigenen Bürger und die Wirtschaft belasten, desto brüchiger ist die Front der Union und desto größer die Gefahr einer schleichenden Kriegsmüdigkeit. Die Bereitschaft der EU-Staaten, sich in absehbarer Zeit auch noch auf ein Gasembargo einzulassen, dürfte rapide gesunken sein – was dann allerdings eine gute Nachricht für Putin wäre.

Unser Kommentator Christian Kerl ist EU-Korrespondent
Unser Kommentator Christian Kerl ist EU-Korrespondent © BZ | BZ

Es greift zu kurz, die Schuld nur Orban zu geben: Es ist ja offenkundig, dass ein Einfuhrverbot Ungarn besonders hart trifft, weil es ungewöhnlich stark vom russischen Öl abhängt, zugleich aber als Binnenland ohne Seehafen die Ersatzlieferungen nicht einfach über Tankschiffe organisieren kann.

Mit der Ausnahme vom Importstopp genießen Ungarn und seine Nachbarn nun andererseits nicht nur Versorgungssicherheit, sondern weiter relativ niedrige Energiekosten – während das übrige Europa die Strafmaßnahme für Putin mit steigenden Ölpreisen bezahlt. Dass diese staatlich verordnete Wettbewerbsverzerrung zu Verwerfungen im europäischen Binnenmarkt führen muss, liegt auf der Hand.

Es bleibt ein Rätsel, warum die Kommission unter Präsidentin von der Leyen diese Probleme nicht erst geklärt hat, bevor sie mit großem Trommelwirbel das Sanktionspaket öffentlich präsentierte. Sanktionen dürfen nicht wochenlang öffentlich zerredet, sie müssen schnell und entschlossen vollzogen werden. Es ist nicht die einzige Schwachstelle des Pakets. Noch ist ja gar nicht klar, ob die Rechnung überhaupt so schnell aufgeht, Putin mit dem Embargo Milliardeneinnahmen zu streichen. Die Weltmarktpreise für Öl dürften nun steigen. Findet Putin für sein Öl andere Abnehmer, kann er es am Ende womöglich zeitweise teurer verkaufen als vorher.

Die Bundesregierung muss die Bürger bei den Kosten des Embargos entlasten

Das ist für Deutschland und seine EU-Partner nicht ohne Risiko: Durchaus möglich, dass die Kosten des Embargos mit Preissprüngen bei Benzin und Heizöl hierzulande anfangs höher sein werden als der erhoffte Nutzen einer Strafe für den Kreml. Die Bundesregierung muss auch deshalb schnell sagen, wie sie Bürgern und Unternehmen helfen will, die Preissteigerungen zu verkraften.

Eine umfassende Senkung von Energiesteuern wäre die beste Lösung. Aber egal wie, die Bürger dürfen nicht allein gelassen mit der Rechnung für das Ölembargo: Das wäre nicht nur ungerecht, es würde auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Sanktionen gefährden. Putin wartet nur auf solche Schwächezeichen, doch den Gefallen dürfen wir ihm nicht tun.

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