Berlin . Alice Schwarzer verteidigt ihren offenen Brief gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Ihr Interview sorgt für Irritation und Empörung.

Alice Schwarzer ist auf Sendung – am Wochenende nahezu überall. Ob bei "Bild Live", im ZDF-"Morgenmagazin" oder beim Nachrichtensender der Zeitung "Welt": Die Publizistin und Feministin äußert sich zu einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Schwarzer hat den Brief mit initiiert. Ihre Aussagen sorgen im Netz immer mehr für Irritation.

Insbesondere ein Interview bei "Welt" schlägt in sozialen Medien derzeit große Wellen. Nicht nur, weil Schwarzer darin die Meinung vertritt, dass die Lieferung schwerer Waffen von Deutschland für Russland eine Provokation darstellen würde. Aus ihrer Sicht würden die Waffenlieferungen nur zu weiterem Leid für die Ukrainer und Ukrainerinnen führen. Dass die Ukraine damit dem Feind besser Einhalt gebieten könnte, scheint für sie zweitrangig, kommentieren viele.

Schwarzer und andere Prominente wie der Schriftsteller Martin Walser und der Schauspieler Lars Eidinger hatten in dem am Freitag veröffentlichten Brief an Scholz appelliert, weder direkt noch indirekt schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Sie befürchten ein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato-Staaten durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Vielmehr möge Scholz alles dazu beitragen "dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können." Bis Montagmorgen hatten rund 150.000 Menschen den Brief digital unterzeichnet.

Interview zu offenem Brief: Alice Schwarzer verwechselt Ungarn und Ukraine

Die Forderungen aus dem offenen Brief stoßen auf breite Kritik. Diese tut die Publizistin aber ab: Im Gespräch mit der "Welt"-Moderatorin ging Schwarzer erst gar nicht auf das Gegenargument ein, dass Putin für den Angriff auf die Ukraine und die bisher begangenen Kriegsverbrechen auch kein Motiv gebraucht hätte.

Schwarzer verwechselte in ihren Statements zudem mehrfach die Ukraine mit Ungarn. Doch nicht nur das lässt das Interview bizarr erscheinen. Auf Twitter sorgen insbesondere die Äußerungen der Herausgeberin der Zeitschrift "Emma" zur Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk für Empörung.

Melnyk hatte bereits am Freitag erklärt: "Diese Prominenten, die der Ukraine schwere Waffen verwehren wollen und damit dem Mörder Putin nur in die Hand spielen, damit er ukrainische Frauen und Kinder zerbomben kann, haben das Prinzip 'Nie wieder' mit Füßen getreten." Die Unterzeichner hätten "nichts aus der Geschichte gelernt", so Melnyk. Dabei bezieht er sich auf den Holocaust.

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Alice Schwarzer über Melnyk: Botschafter schadet der Ukraine

"Das ist nackte Demagogie und dieser Botschafter schadet seinem Land", kontert Schwarzer in dem Interview. Dass der Diplomat des von Russland angegriffenen Landes es überhaupt "wage", ihre "sehr kenntnisreiche Stellungnahme" mit einer Zustimmung zu einem "zweiten Holocaust am ukrainischen Volk" zu vergleichen, sei "einfach ungeheuerlich", so Schwarzer. Mehrfach spricht sie in ihrer Antwort auch vom "ungarischen Botschafter".

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Auch andernortes verteidigte Schwarzer den offenen Brief: Im ZDF-"Morgenmagazin" wies sie am Montag Vorwürfe zurück, man würde die Ukraine im Stich lassen. Man dürfe die Unterzeichner nicht in die rechte Ecke rücken, so Schwarzer. In Umfragen sei die Bevölkerung geteilt, ob man schwere Waffen in die Ukraine liefern solle. Darüber müsse man diskutieren.

Bei der Lieferung von "Angriffswaffen" müsse man sich dagegen fragen, ob das von Russland als Kriegsbeteiligung interpretiert werde, forderte sie. Es gebe die Gefahr, in einen Dritten Weltkrieg hineinzurutschen. "Darum geht es", betonte Schwarzer.

Ukraine-Krieg: Breite Kritik an Offenem Brief zu Waffenlieferungen

Direkt nach der Veröffentlichung des Briefes am Freitag war erstmals Kritik daran laut geworden. So sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in einem Interview gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vom Montag: "Wo sollen 'Kompromisse' sein, wenn Putin völkerrechtswidrig ein freies europäisches Land überfällt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten ermordet werden und Vergewaltigung systematisch als Waffe gegen Frauen eingesetzt wird?"

In den sozialen Netzwerken äußerten auch Politiker und Politikerinnen aus Union, SPD und FDP teils scharfe Kritik an der Aktion und den damit zusammenhängenden Äußerungen Schwarzers. (mit dpa)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de