Denain/Saint-Germain-en-Laye. Am Sonntag muss sich Frankreich zwischen Macron und Le Pen als neuem Staatsoberhaupt entscheiden. Wie ist die Stimmung vor der Wahl?

Macron und ich, das ist ein Verhältnis auf Gegenseitigkeit: Wir verachten uns“, knurrt Georges Lapointe. Der 62-jährige Lkw-Fahrer sitzt auf der Terrasse des Café du Centre unweit des Rathauses von Denain in der Mittagssonne und ist schon deswegen schlechter Laune, weil er „null Bock“ hat, über Politik zu reden.

„Als ob die in Paris sich um meine Meinung scheren würden“, fügt er an und erzählt dann doch, dass er bei der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen für Marine Le Pen votiert hat. „Aber nur, um diesem arroganten Präsidenten eins auszuwischen, ich bin kein Rassist“, versichert er.

Hofft auf eine zweite Amtszeit: Präsident Emmanuel Macron (r.).
Hofft auf eine zweite Amtszeit: Präsident Emmanuel Macron (r.). © AFP | Ludovic Marin

Le Pen – 41 Prozent in ehemaliger Bergarbeiterstadt

Im 220 Kilometer nördlich von Paris gelegenen Denain haben am 10. April 41 Prozent der Wähler für die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin gestimmt, während der sich um ein zweites Mandat bewerbende Emmanuel Macron hier mit knapp 15 Prozent noch hinter dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon und seinen 29 Prozent auf dem dritten Platz landete.

Die ehemalige Bergarbeiterstadt zählt zu dem ärmsten in Frankreich und weist eine Arbeitslosenquote aus, die beinahe drei Punkte über dem Landesschnitt von 7,4 Prozent liegt.

Macron – nicht nur in Denain ein miserables Image

Macron hat Denain vergangene Woche einen Wahlkampfbesuch abgestattet. Der Empfang in diesem ehemaligen Hort der Gelbwesten fiel nicht gerade herzlich aus, beim Bad in der Menge auf dem Rathausplatz war die Abneigung, die Macron entgegenschlug, gut zu spüren.

Macron, der in der Stichwahl am Sonntag wie schon 2017 gegen Le Pen antritt, hat nicht nur in Denain ein miserables Image. Auf dem Land und in der Provinz, wo Geringverdiener in der Mehrheit sind, ist der Ex-Banker als „Präsident der Reichen“ verschrien. Das hier ohnehin verbreitete Gefühl, von den Pariser Eliten als vernachlässigbare Größe behandelt zu werden, hat Macron mit Bemerkungen wie die über die „notorisch renitenten Gallier“ noch verstärkt. Mehr zum Thema: Stichwahl in Frankreich: Was passiert, wenn Le Pen gewinnt

Setzt auf Protestwähler: die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen.
Setzt auf Protestwähler: die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen. © AFP | Sameer Al-Doumy

Rechtsextreme Le Pen in der Nähe der Mehrheitsfähigkeit

Le Pen verstand es, die Wut über den „abgehobenen Besserwisser“ im Élysée-Palast auszuschlachten. Sie, die sich als Anwältin der kleinen Leute verkauft, ist zur ersten Wahl der Bauern und Geringverdiener geworden.

Dass ihr Zulauf häufig in erster Linie dem Protest gegen Macrons Politik und Stil geschuldet ist und sehr viel weniger ihrem fremden- wie europafeindlichen Programm, ändert nichts daran, dass die Rechtsextreme in die Nähe der Mehrheitsfähigkeit gelangt ist.

Macron liegt im Nobel-Vorort vorn

Anders das Bild in Saint-Germain-en-Laye: In dem Pariser Nobel-Vorort gelang es Macron, am 10. April beinahe 42 Prozent der Stimmen einzufahren (Le Pen: 8 Prozent). „Natürlich will ich, dass der Präsident am 24. April wiedergewählt wird“, sagt Magalie Brunot.

Schon vor fünf Jahren hat die 39-jährige Immobilienhändlerin für Macron gestimmt – und will es wieder tun. Le Pen hingegen drohe das Land „innerhalb von sechs Monaten wirtschaftlich gegen die Wand zu fahren“, glaubt sie.

Frankreichs Jugend stimmte links

Frankreichs Jugend hingegen stimmte im ersten Wahlgang mehrheitlich für Mélenchon. Wie Janine, Julie, Thomas und Kevin. Alle vier stehen kurz vor dem Abitur und haben am 10. April zum ersten Mal gewählt. Als links würden sie sich „nicht unbedingt“ bezeichnen, aber „Mélenchon sei derjenige, der sich am energischsten um Klimaschutz kümmere, begründet Julie ihr Votum.

Während sie sich am Sonntag enthalten will, werden Janine und Thomas für Macron stimmen, um Le Pen zu verhindern. Nur Kevin hat sich noch nicht entschieden.