Berlin/Brüssel. Die Bundesregierung blockiert trotz des Ukraine-Kriegs den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift. Das sind die Gründe.

Es ist die allerschärfste Wirtschafts-Waffe gegen Russland: Wenn Russland von Swift, dem internationalen Zahlungsverkehrssystem, abgekoppelt würde, könnte das die russische Ökonomie schwer treffen – und vorübergehend zum wirtschaftlichen Kollaps des Landes führen. Doch der Westen verzichtet auf diese Sanktion für den russischen Überfall auf die Ukraine: Deutschland und andere EU-Staaten blockieren die Entscheidung.

In den USA gibt es deshalb Kritik, der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warnt sogar: Wer die Notwendigkeit der Swift-Sanktion bezweifele, habe „das Blut unschuldiger ukrainischer Männer, Frauen und Kinder auch an seinen Händen kleben.“ Worum es bei Swift geht, warum Deutschland bremst – und wieso es doch noch so weit kommen kann.

Internationales Zahlungssystem: Darum ist Swift so wichtig

Über die Nachrichtenplattform Swift wickeln 11.000 Banken in 210 Ländern ihren internationalen Zahlungsverkehr ab. Über Swift teilt eine Bank der anderen mit, dass ein Kunde etwa in Deutschland Geld an einen Geschäftspartner in den Russland, Frankreich oder China überweisen möchte. Dafür hat jede Bank einen Swift-Code.

Ohne die Nachrichtenübermittlung von Swift wären Banken von internationalen Geldströmen ausgeschlossen, es würde schwieriger, Geld ins Ausland zu transferieren – nach Anfangsproblemen nicht unmöglich, aber viel komplizierter und aufwendiger. Genau dies könnte jetzt Russland drohen. Swift selbst, eine Genossenschaft großer Finanzinstitute weltweit mit Sitz im Brüsseler Vorort La Hulpe, hat daran wegen seines neutralen Status kein Interesse – aber gegen einen Beschluss von EU und USA könnte sich Swift nicht wehren.

Die wichtigsten Infos über das Zahlungsnetzwerk SWIFT

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    Sanktionen: Das passiert, wenn Swift abgeschaltet wird

    Russland wäre plötzlich isoliert und vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen. Von heute auf morgen könnten Firmen weder ihre Importe bezahlen noch Einnahmen für Exporte verbuchen.

    Für Russland ein Desaster: Die Wirtschaft könnte vorübergehend zusammenbrechen, weil erst der Geldstrom versiegt und dann die Warenströme. Bis Russland andere Finanzkanäle etabliert hätte, dürfte es dauern. Moskau sieht in dieser Sanktion deshalb eine „Kriegserklärung“ – so hatte die Regierung es schon bezeichnet, als 2014 nach der Krim-Annexion bereits einmal die Swift-Blockade überlegt worden war.

    Das Swift-Netzwerk zur Kommunikation zwischen Banken, Grafik: J. Reschke, Redaktion: I. Kugel
    Das Swift-Netzwerk zur Kommunikation zwischen Banken, Grafik: J. Reschke, Redaktion: I. Kugel © dpa | dpa-infografik GmbH

    Swift: Darum ist das Abschalten so riskant

    Bei einem Ausschluss Russlands drohen auch erhebliche Schäden für den Westen:

    • Experten fürchten eine Erschütterung der internationalen Finanzmärkte. CDU-Chef Friedrich Merz warnt, der Swift-Ausschluss Russlands wäre „die Atombombe für die Kapitalmärkte“.
    • Aber auch der Handel würde in Mitleidenschaft gezogen. Die Bezahlung von Gas- und Ölimporten aus Russland wäre dann blockiert oder zumindest erschwert. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer meint: „Die Aussetzung von Swift würde weniger Russland als die EU treffen“.
    • Zudem würde Russland mit dem Schritt gedrängt, verstärkt nach Alternativen zu suchen. Moskau hat bereits ein eigenes System (SPFS) entwickelt, das aber international nicht ausreichend etabliert und daher keine Alternative ist.
    • Doch Russland könnte mit China den Aufbau eines alternativen Zahlungssystems vorantreiben – Putin hat das vor wenigen Wochen in Peking mit dem chinesischen Präsident Xi Jinping besprochen. Das Vorhaben wäre zwar erst in ein paar Jahren startklar: Aber eine dauerhafte Abkopplung der beiden Großmächte von Swift kann nicht im Interesse des Westens sein.

    Darum will Deutschland die Swift-Sanktion verhindern

    Die Bundesregierung fürchtet, dass Deutschland als relativ großer Handelspartner Russlands einen besonders hohen Preis zahlen müsste. Ähnliche Bedenken gibt es in Österreich, Italien, Ungarn und Zypern, die enge Wirtschaftsbeziehungen mit Russland unterhalten, sie alle haben jetzt auf EU-Ebene gebremst. In Deutschland gibt es vor allem drei Sorgen:

    Deutsche Unternehmen wären vergleichsweise stark betroffen. Voriges Jahr exportierten deutsche Firmen Waren im Wert von 33 Milliarden Euro nach Russland, der Import belief sich auf 26,6 Milliarden Euro. Und wenn der internationale Handel insgesamt in Schieflage geriete und die Finanzmärkte in Turbulenzen kämen, würde Deutschland als große Exportnation darunter besonders leiden.

    Wenn Deutschland wegen des Swift-Ausfalls die russischen Gas-Lieferungen nicht mehr bezahlen kann, könnte Russland im Gegenzug den Gashahn zudrehen. Problem: Russland liefert Deutschland die Hälfte des verbrauchten Erdgases, deshalb sind wir viel verwundbarer als andere EU-Staaten.

    Finanzminister Christian Lindner (FDP)
    Finanzminister Christian Lindner (FDP) © AFP | ERIC PIERMONT

    Finanzminister Christian Lindner (FDP) fürchtet: „Bei einer Aussetzung von Swift besteht eine hohe Gefahr, dass Deutschland nicht mehr mit Gas und Rohstoffen versorgt wird.“ In Berlin und anderen Hauptstädten wird davor gewarnt, ein solches Energie-Versorgungsproblem jetzt mutwillig zu provozieren.

    Das würde auch die Energiepreise weiter steigen lassen, wird im Bundeswirtschaftsministerium gewarnt. Bislang hatte sich Russland in allen Krisen als zuverlässiger Gaslieferant erwiesen, die Bundesregierung will das jetzt nicht durch eine solche Sanktion riskieren - zumal nicht klar ist, wie lange der Swift-Ausschluss dauern würde.

    Zudem müssten deutsche Banken mit Schwierigkeiten rechnen. Insgesamt haben Banken in der EU-Forderungen von 56 Milliarden Euro an russische Kunden.

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    Warum droht Russland trotzdem die Strafe mit Swift?

    Die Abschaltung von Swift ist nicht vom Tisch, versichern die Bundesregierung und andere EU-Regierungschefs. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagt, man müsse sich dieses besonders scharfe Instrument aufbehalten für weitere Eskalationsschritte. Auch US-Präsident Joe Biden erklärt, die Abschaltung von Swift sei weiter eine Option, auch wenn aktuell Europa noch nic ht bereit sei.

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    Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.