Berlin. . Die Ukraine-Krise erinnert an Zeiten des Kalten Krieges. Doch dank Putin gibt es gefährliche Unterschiede, meint Michael Backfisch.

Es sind dies dramatische Tage in Europa. Knapp 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs scheint ein neuer großer Waffengang auf dem Kontinent fast unabwendbar. Selten war die Münchner Sicherheitskonferenz so von Kriegswarnungen geprägt wie am vergangenen Wochenende. Das Forum ist traditionell ein Treffpunkt, an dem Staats- und Regierungschefs Konflikte in vertraulichen Hinterzimmer-Gesprächen zumindest entschärfen wollen. Angesichts der massiven russischen Truppenkonzentration rund um die Ukraine darf es im Nachhinein als fatales Omen gelten, dass Moskau erstmals seit 1991 keine Regierungsdelegation nach München geschickt hat. Ein unausgesprochenes „Njet“ für die Diplomatie.

Verhandeln zwecklos: Putin will das Europa aus dem kalten Krieg zurück

Das Problem: Verhandlungen mit dem Ziel eines Kompromisses stehen nicht auf der Tagesordnung von Russlands Präsident Wladimir Putin. Er betreibt eine Politik der Maximalforderungen. Die Ukraine ist dabei nur ein Puzzleteil im großen Plan des Kremlchefs. Putin hat nichts weniger als eine Neuordnung der europäischen Sicherheitsarchitektur nach dem Mauerfall von 1989 zum Ziel. Er will nicht nur einen Nato-Beitritt der Ukraine verhindern.

Ihm geht es vielmehr um einen Rückbau der freiwillig erfolgten Westbindung von ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts. Die militärische Infrastruktur der Nato soll aus ganz Mittel- und Osteuropa verschwinden – von Polen bis zum Baltikum. Der Kreml strebt Einflusssphären wie in alten Zeiten an.

Putins konfrontativer Stil und seine Vogel-friss-oder-stirb-Politik gegenüber dem Westen stehen für ein neues Blockdenken, das an den Kalten Krieg erinnert. In den 50er- und 60er- Jahren standen sich Ost und West als feindliche Blöcke gegenüber. Damals waren es sozialistischer Kollektivismus und Planwirtschaft auf der einen Seite und Freiheit, Rechtsstaatlichkeit sowie Marktwirtschaft auf der anderen. Der Kalte Krieg definierte sich als ideologischer Konkurrenzkampf.

Die Ukraine-Krise hat nicht mit Ideologien zu tun

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Ein „heißer Krieg“ fand deshalb nicht statt, weil die Schutzmächte der Blöcke, die Sowjetunion und die USA, bis an die Zähne bewaffnet waren. Das Gleichgewicht des Schreckens hielt Moskau und Washington vom äußersten Schritt ab. Im Kreml saßen allerdings seinerzeit kühle Polit-Strategen und keine Vabanque-Spieler wie Putin.

Dafür gab es in der Dritten Welt Stellvertreterkriege, in dem Ost und West ihren Systemwettstreit gewaltsam austrugen. Die Konfliktparteien der Kriege in Vietnam, Nicaragua oder Angola bezogen ihre Waffen aus der UdSSR und Amerika.

Die derzeitige Konfrontation zwischen Russland und dem Westen ist indessen kein Kampf der Ideologien. Der heutige Kalte Krieg 2.0 speist sich vielmehr aus dem Duell zwischen Autokratie im Osten und Demokratie im Westen. Unterfüttert wird dies durch den knallhart formulierten Machtanspruch Putins. Er legt es darauf an, einen Moskau genehmen Hinterhof zu schaffen. Als Blaupause dienen Marionetten-Regime wie in Belarus oder Kasachstan.

Der Kalte Krieg 2.0 findet im Netz und auf dem Energiemarkt statt

Für die Ukraine schwebt ihm ein Rollback zur Zeit vor den Maidan-Protesten 2013 und 2014 vor. Putins militaristisches Gebaren Richtung Kiew erinnert an die Breschnew-Doktrin. 1968 hatte der damalige KPdSU-Generalsekretär Demonstrationen in Prag unter der Direktive der „begrenzten Souveränität sozialistischer Staaten“ blutig niedergeschlagen.

Der Kalte Krieg 2.0 unterscheidet sich allerdings in zwei Punkten von der historischen Vorgänger-Epoche. Russland hat den Instrumentenkasten feindlicher Aktivitäten deutlich erweitert. Desinformations-Kampagnen, Cyber-Attacken sowie eine aggressive Ölpreis- und Gaspolitik sollen Gegner schwächen. Darüber hinaus ist Putin zumindest zum begrenzten „heißen Krieg“ in Europa bereit. Die Annexion der Krim und die militärische Einmischung im Donbass unterstreichen dies.

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