Berlin. Am 20. Februar endet ein russisches Manöver und die Winter-Olympiade. Öffnet sich ein Zeitfenster für einen Einmarsch in der Ukraine?

Am 20. Februar enden die olympischen Winterspiele – und zugleich ein russisches Militärmanöver in Belarus. Ist die Duplizität der Ereignisse reiner Zufall?

Seit 1993 "verordnete" die UNO vor jeder Olympiade eine Waffenruhe, zuletzt auf der Vollversammlung am 2. Dezember 2021. Damals hat nicht jedes UN-Mitglied die Resolution 76/16 unterschrieben. Russland schon.

Olympische Waffenruhe: Russen billigten Resolution

Sie ist nicht mehr als eine Empfehlung und knüpft an eine Tradition in der Antike an: Ekecheiria, der „Weg-Frieden“. So stellte man im alten Griechenland sicher, dass Athleten, Zuschauer, Wettkampfrichter sicher von ihrer Heimat nach Olympia kommen konnten – und wieder zurück.

Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin die UNO ernst nimmt und sich durch die Resolution gebunden fühlt, müsste er mit einem Aufmarsch in die Ukraine bis sieben Tage nach der Olympiade warten; gar bis in die zweite Märzhälfte, zählt man auch die Paralympischen Spiele vom 4. bis 13. März dazu.

Einmarsch nach Olympia aus Rücksicht auf China?

Als er zum Auftakt der Spiele den chinesischen Präsidenten Xi Jinping besuchte, wurde darüber spekuliert, dass sein Verbündeter ihn gebeten habe, von einer Aggression während der Spiele abzusehen. Als Gastgeber sähen es die Chinesen nicht gern, wenn ihr Milliardenspektakel von einem Krieg überschattet werden würde.

Die Zustimmung Chinas sollte Putin viel Wert sein. Wenn sich China querstellt, könnten beide Vetomächte im Kriegsfall eine Verurteilung Russlands durch den UN-Sicherheitsrat unterbinden. Russland wäre nicht isoliert. Putin muss Rücksicht auf Jinping üben.

Der 20. Februar ist ein Orientierungsdatum

Lange Zeit war der 20. Februar ein Orientierungsdatum, bis die USA den 16. Februar, den vergangenen Mittwoch, als mutmaßlichen Tag eines Angriffs ins Spiel brachten. Die Preisgabe solcher sensibler Informationen sei "sehr ungewöhnlich", wunderte sich der ehemalige Direktor des Bundesnachrichtendiensts (BND), Gerhard Conrad, im "Focus".

Klar ist, dass die Russen ab Sonntag kein Vorwand haben, um weiter in Belarus zu "üben". Dann müssten sie dort abziehen. Klar ist auch, dass sie nicht monatelang eine aufwendige Drohkulisse mit über 100.000 Soldaten entlang der Grenze zur Ukraine aufrecht erhalten können.

Belege für einen unveränderten Aufmarsch

Die Krux ist, dass ein Rückzug Wochen andauern würde und sich nicht sofort überprüfen lässt, ob und wie ernst die Russen ihren gerade angekündigten Teilrückzug meinen. Die USA beobachten das Gegenteil, eine weitere Aufstockung. Sie ist der Grund, weshalb US-Präsident Joe Biden am Mittwoch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) telefonierte. Das Risiko einer militärischen Aggression bestehe fort, so Biden.

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Als Halbwahrheit entpuppte sich ein Video, mit dem Russland den angeblichen Abzug einer Panzerkolonne illustrierte. Wahr ist, dass sie die Krim verließ. Wahr ist aber auch, dass sie zu ihren Standort zurückfuhren – etwa 20 Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze.

Teilrückzug nur eine Irreführung?

In Kursk kamen erst am Dienstag neue Einheiten mit Panzern, Haubitzen und Raketenwerfern an, auch die Zahl der Bataillonskampfgruppen ist gestiegen. Russland hält an einem Manöver der Marine im Schwarzen Meer fest, derweil weitere Einheiten der Luftwaffe ins Krisengebiet verlegt werden: Kampfflugzeuge und Helikopter.

Auf aktuellen Satellitenaufnahmen kann man erkennen, dass in Weissrussland eine Pontonbrücke über den Fluss Pripjat errichtet wurde – gerade mal sechs Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Im Netz kursieren viele Bilder, Videos und eben Satellitenaufnahmen. Die Geheimdienste wissen erst recht "fast bis auf die letzte russische Schraube", was sich im Grenzgebiet abspielt, erzählt Ex-Geheimagent Conrad. Abzug? "Absolut lächerlich", meint Conrad, "ein knallharter Bluff".

Unterschied zwischen Fähigkeiten und Absicht

Keine Expertin oder Experte bestreitet, dass Russland fähig ist, einen Krieg zu führen und vielleicht zu gewinnen. Offen ist nur, ob Russlands Präsident Putin die Absicht dazu hat und das Risiko wirklich eingehen will.

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Conrad kann sich das kaum vorstellen, ebenso wenig der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. In Deutschland ist die Ansicht weit verbreitet, dass Putin im Ukraine-Konflikt eine Drohkulisse aufbaut, um sich den Respekt zu verschaffen, "den er wahrscheinlich auch verdient“ – eine Analyse, die dem früheren Marinechef Kay-Achim Schönbach Ende Januar den Job kostete.

Wollte Putin die Amerikaner Lügen strafen?

Ex-Soldat Kujat glaubt, dass Putin auf einen Einmarsch am 16. Februar ganz bewusst verzichtet hat, um die USA quasi Lügen zu strafen. Kann es sein, dass sich das Zeitfenster für einen Angriff am 20. Februar öffnet – und für die Diplomatie schließt?

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