Berlin. Der neue „Demokratieindex“ liefert ein ernüchterndes Ergebnis: Immer weniger Menschen weltweit leben in demokratischen Staatsformen.

Von westlichen Politikerinnen und Politikern ist häufig fast beschwörend der Satz zu hören: „Die Demokratie ist nicht perfekt, aber es ist die beste Staatsform die wir haben.“ Ein Blick auf den jährlichen „Demokratieindex“ der britischen Economist-Gruppe zeigt indes: Weltweit haben immer weniger Menschen Anteil daran.

Im vergangenen Jahr lebten nur noch 45,7 Prozent der Weltbevölkerung in irgendeiner Form der Demokratie, ermittelte die Economist Intelligence Unit (EIU), die analytische Forschungseinheit der Economist-Gruppe. Das ist ein weiterer Rückgang gegenüber 2020 mit 49,4 Prozent.

Nur 6,4 Prozent aller Menschen leben in „vollständigen Demokratien“

Es handelte sich nach EIU-Angaben um den stärksten Rückschritt seit 2010 und das schlechteste Ergebnis seit Beginn der jährlichen Untersuchung 2006.

Der Demokratieindex basiert auf fünf Kategorien: Wahlprozess und Pluralismus, bürgerliche Freiheiten, Funktionieren der Regierung, politischer Partizipation und politische Kultur. Basierend auf den Ergebnissen bei 60 Indikatoren innerhalb dieser Kategorien wird jedes Land einem von vier Regimetypen zugeordnet: vollständige Demokratie, mangelhafte Demokratie, hybrides Regime oder autoritäres Regime.

In einer „vollständigen Demokratie“ lebten 2021 sogar nur 6,4 Prozent der Menschen weltweit – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (6,8 Prozent). Deutlich mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung lebte in einer Diktatur: 37,1 Prozent, ein geringer Anstieg gegenüber 2020. Der Anteil der autoritär regierten Staaten ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Das Plenum des Bundestages, zentraler Ort der deutschen Demokratie. Die Bundesrepublik gehört laut dem „Demokratieindex“ zu den „vollständigen Demokratien“. Nur 6,4 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer solchen Staatsform.
Das Plenum des Bundestages, zentraler Ort der deutschen Demokratie. Die Bundesrepublik gehört laut dem „Demokratieindex“ zu den „vollständigen Demokratien“. Nur 6,4 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer solchen Staatsform. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Spitzenreiter in der Rangliste bleibt Norwegen

„Weltmeister“ unter den „vollständigen Demokratien“ bleibt Norwegen. Die Studie gab dem skandinavischen Land in drei der fünf Kategorien die Bestnote. Dahinter kletterte Neuseeland vom vierten auf den zweiten Platz, gefolgt von den übrigen nordischen Staaten Schweden, Finnland, Island und Dänemark.

Deutschland gehört weiterhin zu dieser höchsten Kategorie der „vollwertigen Demokratien“. Die Bundesrepublik liegt mit derselben Punktzahl wie im Vorjahr auf dem 15. Platz. Insgesamt leben nur 6,4 Prozent der Weltbevölkerung in einer „vollwertigen Demokratie“.

Spanien ist nur noch „mangelhafte Demokratie“

Deutliche Kritik übte EIU aber auch an Staaten Europas – und stufte Spanien zu einer „mangelhaften Demokratie“ herab. Grund dafür: Das Economist-Analyseteam schätzt die Unabhängigkeit der Justiz wegen des politischen Streits über die Ernennung von Richtern als geschwächt ein.

Großbritannien bleibt nach EIU-Maßgabe zwar eine „vollständige Demokratie“, sackt in der Rangliste aber ab. Mehrere Skandale hätten das Vertrauen in die Regierung untergraben, hieß es. Der britische Premierminister Boris Johnson steht wegen der „Partygate“-Affäre seit Wochen in der Kritik.

Partygate-Skandal- Bericht sieht Führungsversagen

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    China ist reicher und noch „unfreier“ geworden

    Resignation schwingt bei der Bewertung Chinas mit. „China ist nicht demokratischer geworden, während es reicher geworden ist. Im Gegenteil, das Land ist unfreier geworden“, heißt es in dem EIU-Bericht.

    Menschenrechtler und Journalisten beklagen eine zunehmende Überwachung sowie Repressionen gegen Regierungskritiker und Andersdenkende in China. Insbesondere die Uiguren sind einem erhöhten Druck ausgesetzt. Mehrere Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem „Völkermord“ an der muslimischen Minderheit in der Region Xinjiang.

    Der neue Index „wirft ein Licht auf die anhaltenden Herausforderungen für die Demokratie weltweit, unter dem Druck der Coronavirus-Pandemie und der zunehmenden Unterstützung für autoritäre Alternativen“, teilte EIU mit.

    Nur die Hälfte der Deutschen vertraut der Demokratie

    Erst im Dezember vergangenen Jahres hatte eine Umfrage für die Körber-Stiftung ein ernüchterndes Ergebnis erbracht: Demnach vertrauen nur 50 Prozent der Deutschen der Demokratie, 30 Prozent vertrauen ihr weniger bis gar nicht. Lediglich 32 Prozent der repräsentativ Befragten haben Vertrauen in den Bundestag und die Bundesregierung, nur 20 Prozent vertrauen Parteien.

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