Berlin. Immer wieder deckt die Polizei Sozialbetrug im großen Stil auf. Häufig sind kriminelle Clans involviert. Das soll dagegen getan werden.

  • Dass kriminelle Clans das Jobcenter betrügen, ist ein bekanntes Phänomen
  • Die Ampel-Koalition will Betrügern nun erschweren, Hartz IV unrechtmäßig zu beziehen
  • Diese Maßnahmen sind geplant

Es klingt unglaublich, ist im zurückliegenden Sommer aber tatsächlich aufgeflogen: Ein krimineller Clan hat in Leverkusen 400.000 Euro Sozialleistungen kassiert – und währenddessen in einer Luxusvilla gehaust. Dieser Fall von Sozialbetrug führte bundesweit zu Diskussionen. Auch weil es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt.

Die neue Bundesregierung sieht nun Handlungsbedarf. Gerade weil vielen Hartz-IV-Empfängern bereits bei Kleinigkeiten mit Sanktionen gedroht wird, müsse gegen derartige Verbrechen und die Lücken, die sie ermöglichen, vorgegangen werden.

Betrug bei Hartz IV – Ampel-Koalition will Clans Strich durch die Rechnung machen

Die Ampel-Koalition will dem Millionenbetrug möglichst schnell ein Ende bereiten und Gegenmaßnahmen auf den Weg bringen. Es sei „empörend, mit welcher Dreistigkeit Einzelne den Sozialstaat ausnutzen“, erklärte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, jetzt zu Focus Online.

Das Phänomen gibt es schon länger, Jobcenter und Polizei beschäftigen sich schon länger damit. Nicht nur im Rheinland, sondern zuletzt auch immer wieder in Berlin bezogen Clan-Mitglieder illegal monatelang Hartz-IV-Leistungen – trotz bestehenden Vermögens.

Kriminelle Clans betrügen den Staat – dank mangelndem Datenaustausch?

Doch wie kann das überhaupt passieren? Bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes sind die Personen, die die Grundsicherung beantragen, zunächst einmal mitwirkungspflichtig. Sie müssen bei der Antragsstellung wahrheitsgemäß Angaben zu ihren Wohn- und Vermögensverhältnissen machen. Das Jobcenter nimmt diese Angaben als Grundlage und ist erstmal auf die Ehrlichkeit der Antragssteller angewiesen.

Zur Kontrolle gleichen die Behörden zwar automatisch alle viertel Jahr Daten ab. Doch viele mutmaßliche Betrüger rutschen durch das Raster. Denn auf Informationen des Finanzamts zur Grunderwerbssteuer, zu Bankdaten aus dem Ausland oder der Kfz-Zulassungsstelle kann das Jobcenter nicht zugreifen. Die datenschutzrechtlichen Hürden sind in dem Paragraf 52 des zweiten Sozialgesetzbuchs festgelegt und schränken die Kontrollen erheblich ein.

Sozialbetrug in Nordrhein-Westfalen: Razzia im Sommer deckte Extremfall auf

In Leverkusen ermöglichte diese Lücke bandenmäßigen Sozialbetrug. Ein anscheinend mittelloser Sohn der Familie von Mahmoud Al-Zein kaufte hier eine Villa im geschätzten Verkehrswert von mindestens einer Million Euro. Daraufhin mietete der Clan-Chef, sein Vater, das Objekt. Die Ermittler sprechen von Geldwäsche.

Die zuständige Sachbearbeiterin bemerkte trotz des skandalösen Vorgangs keine Unregelmäßigkeit. Im Laufe der Zeit wurden für die Miete 400.000 Euro bezahlt. Dafür hatte der Clan drei Bedarfsgemeinschaften zwischen Mai 2015 und Juni 2021 zu Unrecht angemeldet und so wohl die Sozialleistungen ergaunert.

Im Juni ging die Polizei in Nordrhein-Westfalen mit einer Großrazzia gegen den Clan-Chef vor. Insgesamt wurden 31 Häuser und Geschäftsräume durchsucht. Auf dem Anwesen fanden die Ermittler neben im Garten verbuddelten Waffen und mehreren Luxusautos auch 290.000 Euro an Bargeld.

So will die Ampel-Koalition den Sozialbetrug durch Clans bekämpfen

Die Ampel-Koalition will derartige Fälle mit neuen Gesetzen und mehr Personal bekämpfen. So kündigte FDP-Experte Kober gegenüber „Focus Online“ an, den digitalisierten Datenaustausch für die Behörden erweitern zu wollen. Außerdem soll den Jobcentern für die Kontrolle mehr Personal zur Verfügung gestellt werden.

Denn schon 2019 gingen zwar insgesamt 2,57 Millionen Hinweise auf Sozialbetrug bei den Jobcentern ein. Aus Kapazitätsgründen wurde bisher allerdings nur ein kleiner Teil verfolgt. Im Koalitionsvertrag legte das Ampel-Bündnis laut Kober eindeutig die Personalaufstockung, aber auch den verstärkten Kampf gegen die Clan-Kriminalität fest. Bis wann das Projekt umgesetzt werden soll, ist aber noch unklar.

(bml)