Berlin. Die SPD tut nicht so, als sei sie jünger - sie ist es tatsächlich, jedenfalls im Bundestag. Die „Jusos“ sind wieder ein Machtfaktor.

Als der letzte sozialdemokratische Kanzler gewählt wurde, trug Jakob Blankenburg Windeln. Das war 1998, Blankenburg war ein gutes Jahr alt. Jetzt ist er Bundestagsabgeordneter. Als die SPD-Fraktion zusammentrat, war er die Attraktion: der jüngste Parlamentarier in ihren Reihen.

„Jünger und frischer“ wollten die Sozialdemokraten sein. Die Partei hat Wort gehalten. Von ihren 299 Direktkandidatinnen- und Kandidaten waren 109 unter 40 und 77 noch im „Juso“-Alter - unter 35.

Mit Kevin Kühnert wurden die Jusos wieder ein Machtfaktor

Der springende Punkt ist, dass viele von ihnen keine Zählkandidaten waren. Die SPD hatte sie auf ihren Landeslisten abgesichert. Die Kandidaten wollten und sollten ins Parlament kommen.

Blankenburg holte den niedersächsischen Wahlkreis Lüchow-Dannenberg – Lüneburg direkt. Aber die Berliner Juso-Vorsitzende Annika Klose „zog“ über die Liste ein, genau wie auch die Bundesvorsitzende Jessica Rosenthal in Nordrhein-Westfalen. Die Jusos (ver)sorgten für ihre Leute.

Fast jeder vierte SPD-Abgeordnete im Juso-Alter

Insgesamt 48 SPD-Abgeordnete sind im Juso-Alter. 48 von 206. Fast jeder Vierte. Ein großer Stimmenblock. Ein Machtfaktor vielleicht, wenn sie denn über die jeweiligen Landesgruppen hinaus zusammenhalten.

Kevin Kühnert traut man das zu: Mehrheiten organisieren. Das hat er schon als Juso-Chef gemacht. Mit gerade mal 32 Jahren ist er bereits stellvertretender SPD-Chef.

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Das Wort führt allerdings Rosenthal, die sich hinter die Strategie von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gestellt hat: „Wir tragen die Linie von Olaf Scholz voll mit, dass in den ersten Tagen erst mal vertrauliche Gespräche geführt werden, um eine Beziehung aufzubauen zu den Verhandelnden“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Vorfühlen statt konkrete inhaltliche Bedingungen stellen, das ist jetzt erst mal der richtige Weg.“

Es werde allerdings die Zeit kommen, inhaltliche Dinge so zu diskutieren, dass sie die Öffentlichkeit erreichten. „Wir Jusos werden uns bestimmt nicht den Oktober über ins Bett legen und nach Abschluss der Verhandlungen wieder aufstehen und allen zum Koalitionsvertrag gratulieren“, so Rosenthal.

Die Jüngeren waren zur richtigen Zeit am rechten Ort

Dass so viele junge Leute zum Zuge kamen, geht gerade auf Kühnert zurück, aber nicht nur. Ihnen kam zugute, dass niemand der SPD einen Erfolg zugetraut hat. Viele ältere Abgeordnete befürchteten eine negative Zäsur und traten nicht wieder an.

Die Jungen konnten ihr Glück versuchen. Vielleicht musste man jung und im besten Sinne naiv sein, um sich den Traum vom Wahlsieg zu bewahren, der dann auch wahr wurde: Die SPD - plötzlich stärkste Fraktion.

Die neue Generation ist politisch engagiert und lautstark

Erfahrungsgemäß werden die Jüngeren die Politik verändern. Das ist eine Frage des Stimmenblocks, aber noch mehr der Haltung. Jugendforscher wie Klaus Hurrelmann beobachten schon wieder eine neue, weil politisch engagierte und lautstarke junge Generation, unübersehbar in einem Bereich: beim Kampf gegen den Klimawandel in der „Fridays-for-Future“-Bewegung. Längst haben die beiden großen Parteien Union und SPD zumindest ihre Umweltprogrammatik angepasst.

Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal

Es sind ungewohnte Biografien. Blankenburg hat Politik studiert und vor sechs Jahren nach einem Praktikum beim jetzigen SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den Weg in die Partei gefunden. Seither macht er vor allem Gremien-Arbeit: im Kreistag, imm Unterbezirk, im Landesvorstand- und Präsidium und als Juso-Vorsitzender in Niedersachsen. Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal - so sehen Karrieren aus.

Carsten Schneider kennt das. Er war mal mit 22 der „jüngste Abgeordnete aller Zeiten“. Das war 1998. Und der junge Mann aus Thüringen sagte, „man sollte nicht länger als zwölf Jahre im Bundestag bleiben, danach verblödet man.“ Er ist immer noch da und inzwischen Fraktionsmanager der SPD. Ein Vorbild.