Essen. In Essen können Bürger Corona-Verstöße online melden – auch anonym. Wolfgang Kubicki bezeichnet die Webseite als „Denunziationsportal“.

Während viele Menschen hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stehen, pfeifen andere auf Maskenpflicht und Hygieneregeln oder feiern hemmungslos in großen Gruppen. Die Stadt Essen hat nun ein Online-Meldeportal bereitgestellt, auf dem Verstöße gegen die Corona-Regeln mit nur wenigen Mausklicks gemeldet werden können. Die Plattform sorgt für heftige Kritik.

Das Portal trägt den Titel „Melden eines Verstoßes gegen die Coronaschutz-Verordnung (Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2)“. In einem Online-Formular können Ort, Datum, Uhrzeit und Art des Verstoßes angegeben werden, so beispielsweise Maskenverzicht oder das Feiern großer Partys. Auch Fotos lassen sich hochladen.

Die Angaben zur Person des Hinweisgebers sind allerdings optional, die Meldungen können auch anonym erfolgen. Eine sinnvolle Maßnahme zur Eindämmung des Virus – oder ein Aufruf zum Denunzieren von Nachbarn, Kollegen und Freunden? An dieser Frage scheiden sich die Geister.

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Kubicki: Denunzieren erinnert an „schlimmste Zeiten“

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) beklagte am Dienstag auf seiner Facebookseite „chinesische Verhältnisse in Essen.“ Die Tatsache, dass Bürgerinnen und Bürger jetzt im amtlichen Auftrag zu Denunzianten gemacht würden und Fotos aus dem öffentlichen Raum hochladen sollten, erinnere an schlimmste Zeiten.

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Man schiebe damit Angst und Misstrauen in die Gesellschaft. „Fehlt nur noch, dass die Abschnittsbevollmächtigten prozentual am Bußgeld beteiligt werden.“ Das „Denunziationsportal“ sei „mit Sicherheit rechtswidrig“ und müsse sofort gelöscht werden, hieß es weiter in Kubickis Post.

Stadtdirektor Renzel verlangt Entschuldigung von Kubicki

Essens Stadtdirektor Peter Renzel hat auf den Beitrag hin eine Entschuldigung von Kubicki verlangt. „Ich finde Ihren Post mehr als daneben. Sie sollten ihn löschen und sich entschuldigen“, konterte Renz ebenfalls auf Facebook. Er kritisierte, Kubicki selbst habe bei der Stadt deshalb weder nachgefragt, noch versucht, Kontakt aufzunehmen.

Renz erklärte, das Online-Formular sei entwickelt worden, um die vielen Informationen, die ungeordnet an das Ordnungsamt kommen, besser zu kanalisieren und um die Mitarbeiter zu entlasten. Das diene keinem „Denunziantentum“.

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„Zu keiner Zeit haben wir das Formular beworben oder aktiv dazu aufgefordert, Verstöße zu melden“, hieß es in einem Twitter-Beitrag der Stadt.

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Kritisch sieht das Formular auch der Grünen-Digitalexperte Dieter Janecek. „Verwaltungen sollten Bürger nicht mit Formularen ermuntern, andere Bürger zu denunzieren. Das spaltet die Gesellschaft“, sagte er der „Bild“. Es gebe so viele Mängel bei der Digitalisierung in der Verwaltung, „da ist es doch sehr sonderbar, dass ausgerechnet für die Anzeige von Corona-Verstößen schnell Erleichterungen im Anzeige-Verfahren möglich wurden“.

Meldung von Corona-Verstößen: Kommen Onlineportale auch in anderen Städten?

Ob andere Städte vergleichbare Portale zur Meldung von Regelverletzungen einführen, ist noch unklar. Berlin zum Beispiel plant allerdings kein Online-Formular, mit dem Verstöße gemeldet werden können. Das teilte eine Senatssprecherin am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

(raer/dpa)