Brüssel . Viel Geld für den Kohleausstieg in NRW und Ostdeutschland soll der Wiederaufbaufonds der EU garantieren. Aber ist Brüssels Finanzplan solide?

Die deutschen Braunkohleregionen in Nordrhein-Westfalen und Ostdeutschland können beim Kohleausstieg auf eine Milliarden-Hilfe der EU hoffen: Die EU-Kommission stellt den Regionen im Rahmen des geplanten Wiederaufbau-Fonds rund 5.152 Milliarden Euro in Aussicht, mit denen der Strukturwandel weg von der Kohle gefördert werden soll - etwa durch Investitionen in die Infrastruktur, Unternehmenshilfen oder die Umschulung von Arbeitnehmern. Bislang waren nur 877 Millionen Euro für Deutschland eingeplant worden, für alle europäischen Kohleregionen 7,5 Milliarden Euro.

Nun will die Kommission die Gesamtmittel für den Übergangsfonds durch das gigantische 750-Milliarden-Konjunkturprogramm gegen die Corona-Krise auf 40 Milliarden Euro mehr als verfünffachen, wie die Kommission am Donnerstag erläuterte. Entsprechend erhöht sich auch der deutsche Anteil. Profitieren sollen die Braunkohlereviere im Rheinland, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Mehr Geld als Deutschland soll nur Polen fernhalten, dem nun zur Abfederung des Kohleausstiegs 8 Milliarden Euro winken. Hinzu kommen Kreditprogramme, sodaß die Kommission für Deutschland mit mindestens 13,3 Milliarden Euro an mobilisierten Investitionen in den Braunkohlerevieren rechnet. Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans sagte, der „Just Transitition Mechanism“ solle jenen helfen, die am stärkten durch den Umstieg betroffen seien.

Zur Finanzierung will die EU neue Steuern

Ob das Konjunkturprogramm und damit auch die Kohleausstiegs-Hilfen in dieser Form beschlossen werden, ist allerdings noch unklar - eine Einigung der Mitgliedstaaten wird frühestens im Sommer erwartet. Die EU-Kommission will Bedenken jetzt auch mit dem Versprechen zerstreuen, für die Rückzahlung der Kredite müssten nicht die Staaten aufkommen, wenn der EU stattdessen Einnahmen durch neue Steuern zugebilligt würden. Vorgeschlagen werden eine Plastikabgabe auf nicht wieder verwertete Kunststoffe, eine Digitalsteuer für internationale Internetkonzerne, eine Binnenmarktsteuer für große Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz, die Ausweitung des Emissionshandels und eine Klimaabgabe auf Importwaren, deren Herstellung nicht den EU-Klimaschutzstandards entspricht.

Die jährlichen Einnahmen könnten sich ersten Schätzungen zufolge auf 25 bis 40 Milliarden Euro belaufen. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn sagte am Donnerstag, wenn die Mitgliedstaaten einwilligten, könnte sämtliche Kredite für das Konjunkturprogramm über mehrere Jahrzehnte aus diesen Einnahmen zurückgezahlt werden. Die Kommission werde jetzt eine Diskussion mit den Mitgliedstaaten führen, eine Verständigung solle in den nächsten zwei, drei Jahren erzielt werden, damit die Steuern eingeführt seien, wenn die Rückzahlung der Kredite 2028 beginnen solle. Es ist allerdings völlig unklar, ob und in welchem Umfang die Mitgliedstaaten solchen Steuern zustimmen werden; bislang war der Widerstand dagegen groß.

Deutsche Wirtschaft protestiert schon

Die deutsche Wirtschaft ist bereits auf den Barrikaden: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt, es sei alles andere als ein „Zukunftssignal“, dass Steuerbelastungen für Unternehmen diskutiert würden. „Das würde sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft auswirken“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Auch der Bundesverband der deutschen Industrie erklärt, eine neuerliche Belastung von Bürgern und Unternehmen duch neue Steuern und Abgaben „läuft der wirtschaftlichen Erholung Europas zuwider“.
Die EU-Kommission will die Staaten aber noch mit einer anderen Perspektiven locken: Wahrscheinlich werde der Fonds mit 750 Milliarden Euro gar nicht in voller Höhe ausgeschöpft, sagte Haushaltskommissar Hahn. Weil es sich bei einem Teil der Programme nur um Kreditgarantien handele, könne sich die am Ende die tatsächlich zu finanzierende Summe auch auf 400 bis 450 Milliarden Euro belaufen, meinte Hahn.