Berlin. Mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht: Ist Bundesinnenminister Seehofer mit seiner Kritik an der AfD zu weit gegangen?

Innenminister Horst Seehofer (CSU) droht persönlich eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht. Am Dienstag hat der Zweite Senat über eine Beschwerde der AfD verhandelt. Es geht darum, ob er sein Ministerium für den Meinungskampf missbraucht und die Pflicht zur Neutralität verletzt hat. Der Ausgang des Verfahrens dürfte kein Kabinettsmitglied kaltlassen. Der Auslöser des Streits: eine politische Attacke der AfD auf den Bundespräsidenten.

„Das ist für unseren Staat hochgefährlich“, sagt Seehofer im Sommer 2018 der Deutschen Presse-Agentur. Man könne nicht „wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln“. Das sei staatszersetzend. Und: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausendmal sagen, sie sind Demokraten.“

Kritik an AfD: Handelte Seehofer als Minister?

Die Äußerungen sind das geringste Problem. Regierungsmitglieder dürfen am politischen Meinungskampf teilnehmen. Das hat ihnen das Gericht bei früheren Beschwerden zugestanden. Der springende Punkt ist, ob ein Minister dafür amtliche Verlautbarungen – Publikationen, Pressemitteilungen, die Internetseite – nutzen darf. Sein Interview war ins Schaufenster gestellt worden: auf die Internetseite des Ministeriums. Für die AfD hat er damit als Minister gehandelt.

Die frühere Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat bei einem vergleichbaren Vorwurf der AfD in Karlsruhe den Kürzeren gezogen. Sie war allerdings plump vorgegangen. Im November 2015 – auf dem Höhepunkt der Debatte um die Flüchtlingskrise – gab Wankas Ministerium eine Mitteilung heraus. Überschrift: „Rote Karte für die AfD.“

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Seehofers Fall liegt etwas anders. Erstens antwortete er auf Fragen, zweitens ging es auch um andere Themen, nicht nur um die AfD, wie sein parlamentarischer Staatssekretär Günter Krings (CDU) in Karlsruhe erläuterte. Krings vertritt die Ansicht, dass die Bürger die Chance haben müssten, den Minister und seine Meinung kennenzulernen.

Mit einer baldigen Entscheidung ist zu rechnen

Seehofer ist ein Fuchs. Es durfte nicht aussehen, als hätte man ihn nach Karlsruhe gezerrt. Auch gemeinsame Bilder mit AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kamen nicht infrage. Seehofer blieb der Verhandlung fern und überließ seinen Part Krings, der einer der profiliertesten Rechtsexperten der CDU ist.

Nach zwei Stunden war alles vorbei. Das lässt vermuten, dass für die Richter vieles klar und mit einer baldigen Entscheidung zu rechnen ist, womöglich vor der Sommerpause. Am kritischsten fragte nach Angaben von Teilnehmern ein Richter, der den Politbetrieb und Seehofer gut kennt: Peter Müller, früherer Ministerpräsident und CDU-Mann.

Die AfD-Fraktion fühlt sich von der etablierten Konkurrenz geschnitten. Sie geht beim Verfassungsgericht ein und aus. Fünf Verfahren mit AfD-Bezug sind dort anhängig. Die jüngste Klage ist erst wenige Tage alt und betrifft die Abwahl des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner als Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Bundestag. Die größte Fallhöhe hat der Fall Seehofer. Der Innenminister ist womöglich zu weit gegangen.

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Die AfD klagt gegen Seehofer und wirft dem Bundesinnenminister fehlende Neutralität vor. Er hatte ein Vorgehen der Partei kritisiert. Kommentar zum Thüringen-Debakel: In Verantwortung kommt die AfD nur, wenn ihr andere Parteien die Hand reichen. Diese müssen jetzt Position beziehen. Dass die AfD bis 2030 Regierungsverantwortung übernimmt, hält fast jeder zweite Deutsche nicht für abwegig. Aber es gibt Vorbehalte.