Washington. US-Präsident Donald Trump wird für seine Deeskalation im Iran-Konflikt teilweise gefeiert. Doch seine Taktik wird immer gefährlicher.

Dass Donald Trump die von ihm befohlene Eliminierung der heimlichen Nr. 2 des Iran zügig für Wahlkampfzwecke nutzen würde, war klar. Wie er es bei seiner ersten Fan-Zirkus-Aufführung des Jahres in Toledo (Ohio) tat, offenbarte beunruhigende Defizite eines Präsidenten, der Gefallen an der Rolle des kompromisslosen Welt-Sheriffs findet. Die Opposition kanzelte er in beschämenden Worten als Landesverräter ab. Dabei sind die Zweifel der Demokraten an der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Hinrichtung von General Soleimani nur berechtigt.

Trump wettete darauf, dass der Iran aus Angst vor der Übermacht des US-Militärs nicht im selben Maß zurückschlagen wird. So kam es. Vorerst. Und nun präsentiert sich Trump 300 Tage vor der Wahl noch unentschlossenen Wählern (die Basis hat er eh sicher) als Gralshüter der nationalen Sicherheit.

Seine politische Rendite-Erwartung könnte schwer enttäuscht werden. Es fängt damit an, dass der amerikanische Präsident nicht einmal die Prämisse für den Einsatz gegen den Terror-Choreografen der Mullahs plausibel darstellen kann. Angeblich sei „unmittelbar“ Gefahr im Verzug gewesen für US-Interessen im Nahen Osten. Außenminister Mike Pompeo verwässerte dies mit dem peinlichen Hinweis, wann und wo der Iran zuschlagen wollte, das wisse man nicht.

Raketenangriff auf Militärbasen im Irak

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    Donald Trump wählt nicht nur die falsche Strategie im Iran – er hat keine

    Dirk Hautkapp, US-Korrespondent, kommentiert Donald Trumps Nahost-Politik.
    Dirk Hautkapp, US-Korrespondent, kommentiert Donald Trumps Nahost-Politik. © WAZ FotoPool | Bernd Lauter/WAZ FotoPool

    Mord auf Vorrat sozusagen? Auch um das laufende Amtsenthebungsverfahren aus den Schlagzeilen zu boxen und die Patriotismus-Keule zu schwingen? Es wäre Trump leicht zuzutrauen. Umfragen zeigen aber, dass sich, anders als sonst, in Quasi-Kriegsfällen das Volk nicht in Eintracht hinter dem Commander-in-Chief versammelt. 60 Prozent befürchten, dass nach Soleimanis Tod das Risiko von Vergeltungsschlägen in den USA gestiegen ist.

    Ein umsichtiger Präsident würde der Sorge die Spitze nehmen. Indem er ausführlich die Alternativlosigkeit seines Tuns darstellt. Und die sorgfältig bedachte Strategie aufzeigt, mit der Teheran von Eskalationen abgehalten und befriedet werden soll. Nur so kann ein Krieg verhindert werden, den Trump nach den Desastern im Irak und in Afghanistan geschworen hatte, nie mehr zu führen.

    Donald Trump aber hat keine Strategie. Der Wutbürger im Oval Office ist Getriebener seiner Unberechenbarkeit. Heute lässt er Bomben regnen, morgen die Friedensengel singen.

    Die Gefahren im Nahen Osten werden eher größer

    Das vom US-Präsidenten rund um Iran geschaffene Umfeld spricht nicht für ein glimpfliches Ende: Der Iran selbst ist nach dem Attentat waidwund. Der möglicherweise auf Inkompetenz des eigenen Militärs zurückgehende Absturz einer Passagier-Maschine im „Nebel des Krieges“ mit 176 Toten macht alles noch schlimmer. Hardliner diktieren die Tonlage in Teheran. Das Nachbarland Irak ist noch mehr destabilisiert – nach dem Rauswurf der US-Truppen durch Bagdad würde der Irak zum Vasallenstaat Teherans. Der „Islamische Staat“ könnte regenerieren.

    Damit nicht genug: Die Atombombe rückt für die Mullahs näher. Der Ansehensverlust Amerikas im Nahen Osten schreitet voran. Alliierte wie Europa sind verprellt und voller Misstrauen gegenüber Washington. Rivalen wie Russland und China schlagen Kapital aus der Unübersichtlichkeit. Die Bedrohung Israels durch Schergen Soleimanis nimmt zu.

    Mit diesem Problemknäuel geht Donald Trump ins Wahljahr. Kann er es behutsam entflechten, ohne noch größere Schäden anzurichten? Wünschenswert und notwendig. Aber nicht realistisch. Der Iran wird sich früher oder später rächen. Bitterlich. Und die nächste Baustelle wartet schon: Nordkorea.