Berlin. Industrie- und Handelskammertag klagt über nationale Regelungen, Diskriminierung und zunehmende Hürden. Kommission soll handeln.

Fast drei Jahrzehnte nach Einrichtung des EU-Binnenmarkts klagen deutsche Unternehmen massiv über Hindernisse und Hürden für das grenzüberschreitende Wirtschaften zwischen den EU-Staaten. „Wir sind von einem reibungslos funktionierenden Binnenmarkt weit entfernt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, unserer Redaktion.

Komplizierte nationale Regelungen und Verfahren und Unterschiede zwischen EU-Staaten etwa beim Verbraucherrecht oder dem Datenschutz führten zu hohem Kosten- und Zeitaufwand für die Wirtschaft. Wansleben forderte die EU-Kommission zum Handeln auf: Bürokratiearme Regelungen und mehr Rechtssicherheit müssten „ganz oben auf die Prioritätenliste der neuen EU-Kommission“.

DIHK: Hürden erschweren Wirtschaft das Tagesgeschäft

Der Hauptgeschäftsführer verwies auf eine aktuelle DIHK-Umfrage, nach der Hürden beim grenzüberschreitenden Wirtschaften den Unternehmen nach wie vor das Tagesgeschäft erschweren. Laut der Studie beklagen Unternehmen zum Teil sogar, dass die Hindernisse eher mehr als weniger würden. Ausländische Unternehmen würden teilweise im Vergleich zu inländischen Unternehmen diskriminiert, insbesondere im öffentlichen Auftragswesen.

„In einigen EU-Mitgliedstaaten gibt es protektionistische Tendenzen“, heißt es weiter. Beschwerden zu Bürokratie werden vor allem mit Blick auf Frankreich, Luxemburg, Österreich, Italien und Spanien erhoben. Darüber hinaus mangele es in bestimmten Staaten an Rechtssicherheit oder an ausreichendem Rechtsschutz, teilweise auch aufgrund fehlender politischer Unabhängigkeit.

Steuerrecht ist immer wieder ein Problem

Probleme gebe es aber auch mit dem Steuerrecht. Verwaltungsverfahren seien von Land zu Land sehr unterschiedlich, Zugang zu Informationen zum Teil schwer. „Einige Unternehmen wollen nach ihren ersten Erfahrungen zum Beispiel mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen künftig gar lieber auf die Aufträge verzichten als den erforderlichen bürokratischen Aufwand nochmals zu leisten – ein Rückschritt für den Binnenmarkt, der zum politischen Handeln drängt“, heißt es in der Studie.

Besonders betroffen sind Anbieter von Dienstleistungen, aber zum Beispiel auch die Baubranche wegen weitgehender Registrierungspflichten. Wansleben betonte, deutsche Unternehmen wickelten 60 Prozent ihres Außenhandels mit EU-Nachbarn ab. „Daher müssen nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen, Fachkräfte und Kapital innerhalb der EU frei verkehren können,“ sagte er.

EU-Kommission: Vizepräsidentin räumte bereits Probleme eine

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, hatte kürzlich im Interview mit unserer Redaktion Probleme mit dem 1993 geschaffenen Binnenmarkt eingeräumt. Es gebe Handelshemmnisse und „alle möglichen Spielchen, um ausländische Anbieter zu bremsen“, sagte Vestager. „Diese Probleme anzugehen und den Binnenmarkt zu verbessern hat für die Kommission eine hohe Priorität.“ (ck)