Berlin. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beklagt ein Verflachen des politischen Diskurses. Kommunikation via Twitter sei der falsche Weg.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich beklagt eine gefährliche Verflachung der politischen Auseinandersetzung insgesamt. „Twittern und der Austausch von kurzen Textnachrichten werden dem Anspruch solider Politik nicht gerecht“, so Mützenich. Diese Entwicklung, die gerade auch von US-Präsident Donald Trump befeuert werde, mache ihm erhebliche Sorgen. „Ich sehe die große Gefahr, dass wir die Stressfaktoren, denen Politiker unterliegen, zusätzlich verstärken.“

Vorstöße wie der von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu einer internationalen Schutzzone in Nordsyrien „bedürfen wirklich der seriösen Arbeit“. Mützenich: „Ich habe selten ein solches inhaltliches und kommunikatives Durcheinander erlebt wie durch den Vorschlag von Frau Kramp-Karrenbauer.“

SPD-Fraktionschef kritisiert Kommunikation der CDU

Das habe zu großer Verunsicherung bei den Verbündeten geführt. Kramp-Karrenbauer könne „überhaupt nicht ausbuchstabieren“, was sie mit einer internationalen Schutzzone in den syrischen Kurdengebieten meine, stellte der Fraktionsvorsitzende fest. Er sei „einigermaßen erschüttert über die ungenaue Wortwahl in derart sensiblen Fragen“, beklagte Mützenich.

„Frau Kramp-Karrenbauer bringt offenbar ihre Rollen als CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin durcheinander. Sie sollte endlich präzise in der Regierung arbeiten.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende sprach sich außerdem dafür aus, IS-Kämpfer mit deutschem Pass in Deutschland vor Gericht zu stellen. „Dafür bin ich im Einzelfall“, sagte Mützenich. „Wir sollten IS-Kämpfer mit deutschem Pass, die sich in Syrien und dem Irak schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben, auch in Deutschland strafrechtlich verfolgen.“

SPD-Vorsitz: Mützenich sieht Olaf Scholz in der Stichwahl

Zum Abschluss der Mitgliederbefragung über den SPD-Bundesvorsitz sprach sich Mützenich für die Fortsetzung der großen Koalition ausgesprochen. „Ich denke, es tut diesem Land gut, dass wir sozialdemokratische Themen in der Koalition durchsetzen“, sagte er unserer Redaktion. Die SPD brauche eine Führung, die ihr Selbstvertrauen und Kraft gebe.

„Eine selbstbewusste Partei ist ein guter Teil einer Regierung“, sagte Mützenich, der mit einer raschen Einigung bei der Grundrente rechnet. „Ich bin zuversichtlich, dass wir Anfang November, wenn sich der Koalitionsausschuss das nächste Mal trifft, ein tragfähiges Ergebnis finden werden“, sagte er. „Für die SPD ist wichtig, dass möglichst viele Menschen, die lange und oft zu schlechten Löhnen gearbeitet haben, von der Grundrente profitieren.“ Das gebietet der Respekt vor der Leistung dieser Menschen.

Zudem ließ Mützenich erkennen, dass er den Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz in einer Favoritenrolle für den SPD-Vorsitz sieht. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass Olaf Scholz ein gutes Ergebnis bekommen wird und die Stichwahl erreicht“, sagte er.

Mützenich hält Berliner Mietendeckel für vorbildlich

Abseits des Koalitionspartners und der eigenen Suche nach einem neuen Parteivorsitz äußerte sich Mützenich auch zum umstrittenen Berliner Mietendeckel – und lobte ihn als vorbildlich. „Ich bin der Überzeugung, dass die Berliner Regelung wichtig ist, um die Mietpreisentwicklung in den Griff zu bekommen“, sagte Mützenich unserer Redaktion. „Da ist etwas aus den Fugen geraten – nicht nur in Berlin.“

Viele junge Familien fänden keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. „Ich finde es deshalb richtig, dass der Berliner Senat sich darum kümmert.“ Der Fraktionschef hält die Regelung in der Hauptstadt für ein mögliches Modell. Wenn sie zum Erfolg werde, „kann es schon sein, dass sich auch andere den Mietendeckel zum Vorbild nehmen“.

Er sei sehr zuversichtlich, dass Berlin ein gutes Konzept auf den Weg bringe. Verfassungsrechtliche Bedenken wies Mützenich zurück. „Ich bin froh, dass wir uns auf der Bundesebene im Sommer auf eine Verschärfung und Verlängerung der Mietpreisbremse und eine Reform der Maklergebühren verständigt haben“, sagte er. „Es muss allerdings erlaubt sein, dass die Länder zusätzliche Regelungen im Interesse der Mieter treffen.“ Die Landesregierungen hätten diesen Spielraum.