Berlin. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will militärisch in den Konflikt in Nordsyrien eingreifen. Die SPD kritisiert den Vorstoß.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will in Nordsyrien eine international kontrollierte Sicherheitszone einrichten, nun kommt Kritik vom Koalitionspartner: „Das scheint ein unabgestimmter Alleingang von AKK zu sein. Wir wollen die Stärkung der UN und nicht unabgestimmte Vorstöße von unserer Verteidigungsministerin“, sagte Parteivize Ralf Stegner unserer Redaktion. So löse man internationale Probleme nicht.

Der Koalitionspartner ist besonders irritiert, weil Kramp-Karrenbauer am Sonntagabend im Koalitionsausschuss ihre Initiative nach Darstellung aus SPD-Kreisen mit keinem Wort erwähnte, obwohl die Partei- und Fraktionsspitzen gemeinsam mit Außenminister Heiko Maas (SPD) ausführlich die Lage in Nordsyrien diskutierten.

Kramp-Karrenbauer hatte der dpa am Montag gesagt, dass sie den Außenminister informiert habe. Im ZDF-„Heute-Journal“ erklärte sie, dass sie ihm per SMS mitgeteilt habe, dass sie „einen Vorschlag machen werde“. Vom Auswärtigen Amt hieß es bislang nur, man habe Diskussionsbedarf.

AKK-Vorstoß zu Nordsyrien: SPD hat Gesprächsbedarf

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Bundeswehr-Experte Johannes Kahrs bezeichnete das Agieren der CDU-Vorsitzenden als „erstaunlichen Vorgang“. Die SPD habe Gesprächsbedarf. Den Sozialdemokraten stößt auf, dass Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsminister eine Sicherheitszone für die Kurden ins Spiel bringe, bei der brisanten Frage einer denkbaren Bundeswehr-Beteiligung aber in ihre Rolle als CDU-Chefin schlüpfe und eine Antwort darauf an den Bundestag delegiere. „Die Grenzen zwischen den Funktionen als Parteivorsitzende und Verteidigungsministerin sollten klar sein“, sagte Kahrs.

Der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Nils Schmid, kritisierte den Vorstoß von AKK gegenüber MDR Info auch inhaltlich: „Die entscheidende Frage ist doch, warum sollte Russland – nachdem die USA auf dem Rückzug sind – jetzt westliche Truppen nach Nordsyrien reinlassen?“ Einfach nur einen Vorschlag zu machen, helfe den Kurden nicht.

Unionsfraktion stellt sich hinter Kramp-Karrenbauer

Die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag verteidigte den Vorstoß Kramp-Karrenbauers. Da oft beklagt werde, dass Deutschland bei internationalen Krisen nur zuschaue, gehe die Verteidigungsministerin mit ihrem Vorschlag einen mutigen Schritt, der in sich schlüssig sei, so der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer.

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Der grundsätzliche Gedanke, dass man versuchen solle, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) weiterhin zu bekämpfen, die Lage in der Region zu stabilisieren und eine Rückkehr von Flüchtlingen zu ermöglichen, sei „ein kluges Ziel“ angesichts der schwierigen Situation vor Ort. Kramp-Karrenbauer will für den Einsatz in Nordsyrien auch Verbündete gewinnen. Ungewiss ist aber, ob Partnerländer wie Frankreich und Großbritannien mitziehen.

Junge Union stellt Autorität Kramp-Karrenbauers offen in Frage

Die Rückendeckung aus der Fraktion kann Kramp-Karrenbauer gut gebrauchen, ist die CDU-Chefin in ihrer eigenen Partei doch umstritten. Das wurde zuletzt auf dem sogenannten Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Saarbrücken deutlich.

Dort stellte die CDU-Jugendorganisation die Autorität Kramp-Karrenbauers offen in Frage – mit dem Antrag, die Kanzlerkandidatin der Union für die Bundestagswahl 2020 per Urwahl zu bestimmen. Würde die Basis der Union die K-Frage entscheiden, hätte AKK wohl schlechte Chancen, das Amt von Bundeskanzlerin Merkel zu erben.

CSU unterstützt Kramp-Karrenbauers Vorstoß

Die CSU wurde nach Angaben von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erst am Dienstagmorgen über den Vorstoß Kramp-Karrenbauers informiert. Er habe wegen des Zeitpunktes der Unterrichtung aber keine Kritik zu üben. Der Vorstoß sei zum richtigen Zeitpunkt gekommen – angesichts des auslaufenden Waffenstillstandes in Nordsyrien, dem Treffen der russischen und türkischen Präsidenten sowie dem anstehenden Treffen der Nato-Verteidigungsminister.

Worin der deutsche Einsatz bestehen solle, stehe zum jetzigen Zeitpunkt nicht an, so Dobrindt. Es gelte zuerst, auf UN-Ebene herauszufinden, was überhaupt möglich sei. Mit dem Ziel, einen dauerhaften Waffenstillstand zu entwickeln, sei er einverstanden, sagte Dobrindt. Und das solle in enger Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien geschehen.

Grüne und Linke üben scharfe Kritik

Die Grünen halten wenig vom Vorstoß der Verteidigungsministerin. Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, er habe den Eindruck, das sei ein „reines Ablenkungsmanöver“, weil die Bundesregierung sich nicht traue, „klare Worte“ gegen den türkischen Präsidenten Erdogan zu finden. „Wer noch nicht einmal wagt, diplomatische Mittel einzusetzen, der sollte von Bundeswehreinsätzen schweigen“, sagte Hofreiter.

Notwendig sei „deutlich mehr Druck“ auf die Türkei, ökonomisch und durch ein „hartes Waffenembargo“ auch für bereits genehmigte Waffen. Ähnlich hatte sich bereits Parteichefin Annalena Baerbock geäußert. Zudem kritisierte Hofreiter, dass die CDU-Vorsitzende den Vorstoß vorher nicht umfassend mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt hatte: „Ich erwarte bei solch wichtigen Fragen, dass die Bundesregierung koordiniert vorgeht.“

Der Chef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, hält den Vorschlag Kramp-Karrenbauers für indiskutabel: „Die Türkei führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Nordsyrien und soll zur Belohnung an der Aufteilung der überfallenen Gebiete beteiligt werden“, so Bartsch. „Ich fordere die SPD auf, die Verteidigungsministerin zu stoppen“, fügte der Fraktionschef hinzu. (küp/dpa)