Berlin/Limburg. Der Tatverdächtige der Lkw-Attacke ist der Polizei bekannt. Doch die Behörden scheinen einen Terrorangriff derzeit auszuschließen.

Es ist 17.20 Uhr am Montag, als ein Mann am Steuer eines großen weißen Lastwagens in eine Reihe stehender Autos rammt. Fotos vom Tatort zeigen den Lastwagen mit der Zugmaschine auf dem Mittelstreifen, davor mehrere Autos zusammengedrückt, manche leicht beschädigt, andere schwerer.

Es sind Bilder, die zumindest vom Tathergang an das islamistische Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 erinnern. Der Islamist Anis Amri raste mit einem gestohlenen Lastwagen in die Menge auf dem Breitscheidplatz. Zwölf Menschen starben.

Dienstagfrüh meldeten erste Medien wie das ZDF nun auch im Fall Limburg, dass die Ermittlungsbehörden von einem Terroranschlag ausgehen. Doch dass es sich bei der Tat um einen Terrorangriff gehandelt hat, scheint unwahrscheinlich. Am Dienstagabend sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU), dass der Verdächtige keine Verbindungen zur gewaltbereiten islamistischen Szene bestünden. Gegen den Verdächtigen wurde am Dienstag Haftbefehl erlassen.

Nach Informationen unserer Redaktion gehen die Sicherheitsbehörden einer Vielzahl von Tatmotiven nach. So hieß es bis Dienstagabend auch ausdrücklich, dass noch keine Klarheit über die genauen Hintergründe des Motivs herrsche. Auch eine „psychische Erkrankung“ könnte ein Hintergrund der Tat sein.

Die Polizei durchsuchte die Wohnung des mutmaßlichen Täters. Nach Informationen unserer Redaktion konnte eine zumindest erste grobe Sichtung der Beweismittel durch die Polizei, darunter auch zwei Handys des mutmaßlichen Täters, keine Hinweise auf ein politisches Motiv der Tat ergeben. Allerdings stehen hier die Auswertungen erst am Anfang. Gerade die technische Analyse von Datenträgern wie Server oder Handy-Speicherkarten nehmen Zeit in Anspruch.

In früheren Fällen von Terrorismus entdeckten die Beamten oftmals Terror-Propaganda etwa auf dem Mobiltelefon oder in der Wohnung von Dschihadisten – auch waren die Täter in einschlägigen Islamisten-Foren im Internet aktiv. Dafür gibt es im Fall Limburg bisher offenbar keine Hinweise.

Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat die Ermittlungen bisher nicht an sich gezogen – auch das ist ein Hinweis darauf, dass die Ermittler bisher keine Belege für einen terroristischen Hintergrund der Tat sehen. Klar ist: Die Ermittlungen stehen am Anfang.

Was wissen wir über die Tat in Limburg?

Laut Polizeimeldung von 23.07 Uhr am späten Montagabend ist der Fahrer in der Innenstadt von Limburg, auf der Höhe des Landgerichts, in mehrere Pkw gefahren und hat „diese zusammengeschoben“. Zuvor hatte der Mann, der an dem Tag offenbar in Begleitung seines Cousins in Limburg unterwegs gewesen ist, den Lastwagen offenbar gestohlen. Medienberichten zufolge hat der eigentliche Fahrer berichtet, wie er von einem Mann aus dem Fahrzeug gezerrt worden sei.

Bis zur Stelle der Tat waren es dann nur wenige Hundert Meter, auf denen der mutmaßliche Täter den Lastwagen beschleunigt haben soll.

Am Dienstagmorgen twitterte die Polizei Westhessen, dass acht Menschen verletzt wurden. Eine Person konnte gleich am Ort der Tat medizinisch versorgt werden, sieben Menschen kamen in Krankenhaus. Auch ihre Verletzungen waren jedoch nur leicht, so dass auch sie in der Nacht aus der Klinik entlassen wurden.

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Was wissen wir über den mutmaßlichen Täter von Limburg?

Bei dem Fahrer soll es sich um einen 32 Jahre alten Mann handeln. Er ist syrischer Staatsbürger und ist nach Informationen des „Spiegel“ Ende 2015 nach Deutschland geflohen. Es sind Angaben, die sich mit Recherchen unserer Redaktion decken.

Nach Angaben des „Spiegel“ ist der Mann der Polizei wegen mehrerer Delikte bekannt, darunter gefährliche Körperverletzung, Drogenbesitz und Ladendiebstahl. Polizeibekannt ist der Mann, jedoch nach Informationen unserer Redaktion sowie Berichten anderer Medien nicht als Extremist.

Nach Angaben der dpa war der Mann Ende August in Moers negativ aufgefallen. Nach dem er eine 16-Jährige belästigt hatte, war er mit der Mutter des Mädchens aneinandergeraten. Es folgte darauf eine Anzeige wegen Körperverletzung.

Auch als „islamistischer Gefährder“ ist der Mann nicht eingestuft. In der Datenbank des Verfassungsschutzes („Nadis“) soll es über die Person zudem nach Informationen unserer Redaktion keine Einträge geben. Auch zu dem Cousin sollen nach einer Abfrage der Datenbanken der Sicherheitsbehörden keine extremistischen Aktivitäten bekannt sein.

Aufgrund dieser ersten Erkenntnisse aus den Ermittlungen sind sich die Strafverfolger über die Hintergründe der Tat noch nicht sicher. Vor allem eines scheint der Polizei aufgefallen zu sein: Der Mann soll einen „verwirrten Eindruck“ gemacht haben. Er soll sich bei der Festnahme stark gewehrt haben.

Was spricht für ein terroristisches Motiv – und was dagegen?

Für die Bewertung des Tatmotivs ist es noch zu früh. Dennoch berichten viele Medien schon jetzt groß über den Vorfall. Das hängt vor allem mit dem Tatmuster zusammen, das an bisherige islamistische Anschläge erinnert – nicht nur am Berliner Breitscheidplatz, sondern auch in der französischen Küstenstadt Nizza, in der im Juli 2016 ein Terrorist mit einem gemieteten Lkw über die Promenade raste und mehr als 80 Menschen tötete.

Im Limburger Fall sollen Zeugen am Tatort berichtet haben, dass der Mann „Allah“ gerufen oder gesagt haben soll. Allerdings sind die Zeugenaussagen noch nicht bestätigt und werden derzeit von der Polizei geprüft.

Der Ausruf „Allah“ ist jedoch nicht oder nur sehr begrenzt politisch zu bewerten. Anders wäre es bei dem Ausruf „Allahu akbar“, „Gott ist der Größte“, den in der Vergangenheit auch Dschihadisten ausdrücklich als eine Art Kampfbegriff übernommen haben.

Eine Tatwaffe, etwa eine Pistole, soll der Mann nicht gehabt haben. Ermittler durchsuchten die Wohnung des Mannes sowie eine weitere Wohnung.

Bisher sind keine Verbindungen zu Islamisten bekannt

Entscheidend bei der Bewertung des Tatmotivs ist, ob der Mann Anbindungen in eine islamistische oder dschihadistische Organisation hatte, also etwa den sogenannten „Islamischen Staat“. Dafür gibt es bisher keine Hinweise.

In der Terrorismus-Forschung wird immer wieder auch von Fällen berichtet, in denen sich einzelne Menschen selbst radikalisieren – etwa über Internetpropaganda. Von mehreren Tätern im Bereich Islamismus ist zudem bekannt, dass sie vor der Tat in psychischer Behandlung gewesen sind.

Forscher sehen in solchen Fällen oftmals das islamistische Motiv eher als vorgeschobenen Grund, eine Tat zu rechtfertigen oder zu überhöhen, die eher auf die Psyche einer Person zurückzuführen ist. Ob dieses Tatmuster auch im Limburger Fall zutrifft, ist bisher jedoch unklar.