Berlin. Comeback für Cem Özdemir? Vor dem Showdown in der Fraktion räumt er mit Vorurteilen auf und redet der „Klimakanzlerin“ ins Gewissen.

Am Dienstag ab 15.00 Uhr wird es für Cem Özdemir im dritten Stock des Reichstagsgebäudes ernst. Zusammen mit der Bremer Abgeordneten Kirsten Kappert-Gonther will der Ex-Parteichef an die Spitze der grünen Bundestagsfraktion. Das Duo will Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter stürzen, die seit 2013 eine Doppelspitze bilden.

In den Kreisen der 67 Abgeordneten werden den Herausforderern eher geringe Chancen eingeräumt. Der 53-jährige Özdemir, der in einer Jamaika-Regierung erster türkischstämmiger Außenminister geworden wäre, zeigt sich trotzdem angriffslustig.

Verdient die Kanzlerin bei der UN Beifall für dieses Klimapaket?

Cem Özdemir: Wir leisten uns gerade eine Bundesregierung, die die Dimension ihrer Aufgabe beim Klimaschutz nicht verstanden hat. Die Bundesregierung wird sich ganz schön was zurechtbiegen müssen, um der Weltgemeinschaft zu erklären, wieso Deutschland seinen Beitrag zum internationalen Klimakonsens von Paris nicht leisten will. Auf eine Klimakanzlerin wartet man bei der UN dieses Jahr vergeblich.

Der Grünen-Hype in den Umfragen schwindet. Fürchten Sie einen Fukushima-Effekt, da die Regierung und andere beim Klima handeln?

Özdemir: Ich wäre froh, die Regierung würde beim Klimaschutz mehr von uns abschreiben. Denn die Herausforderung ist größer als Parteipolitik. Zwischen dem dringend Notwendigen und dem, was die Bundesregierung da zusammengefrickelt hat, klafft aber eine Riesenlücke. Es braucht starke Grüne, die auch dann mit dem Thema durchdringen, wenn viele wieder über etwas anderes reden wollen.

Was ist Ihr Angebot gemeinsam mit Frau Kappert-Gonther, wie können Sie beide die Fraktion stärker machen?

Özdemir: Die Entscheidung wird in der Fraktion getroffen, nicht in der Presse. Kirsten und ich wollen die ganze Kompetenz der Fraktion zur Geltung bringen. Gerade weil die Bundesregierung in der existenziellen Frage des Klimaschutzes versagt, tragen wir Grüne als konstruktive Opposition große Verantwortung.

Viele bei den Grünen sagen, Sie seien kein Teamspieler. Irren die sich?

Özdemir: Ich war früher Handball-Torwart. Die Hütte sauber halten und das Spiel mit guten Pässen nach vorne aufbauen, so sehe ich die Job-Beschreibung auch für die beiden Fraktionsvorsitzenden. Erfolgreich können wir nur als starkes grünes Team sein.

Ist der Realo Cem Özdemir auf immer und ewig ein Grün-Schwarzer – oder können Sie sich vorstellen, mit SPD und Linken vernünftige Politik zu machen?

Özdemir: Wir brauchen einen ökologischen Aufbruch dringender denn je. Gleichzeitig müssen wir die Gesellschaft zusammenhalten. Dafür werden wir Grüne als Partei der linken Mitte aller Voraussicht nach Partner brauchen, Farbenspiele sind dabei irrelevant. Für mich ist es elementar, dass wir endlich den Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg entkoppeln.