Berlin. Bei Wahlen in Sachsen und Brandenburg gelingen den Grünen ihre besten Ergebnisse. Allerdings fallen sie schlechter aus, als gedacht.

Die Grünen werden diesen Wahlabend mit gemischten Gefühlen in Erinnerung behalten. Von den erhofften Ergebnissen im mittleren zweistelligen Prozentbereich sind sie in beiden Bundesländern weit entfernt. Aber: Die Grünen haben sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen die besten Ergebnisse seit Langem erreicht.

Neben der AfD ist die Partei die einzige, die merklich dazugewonnen hat. Deshalb ist eine Regierungsbeteiligung in beiden Ländern grundsätzlich möglich. Der intensive Wahlkampf, den die Grünen gemacht haben, hat sich für die Partei gelohnt. „Wenn man es einordnet in den größeren Rahmen, ist es ein fantastisches Ergebnis“, sagt Parteichef Robert Habeck, als sich die ersten Zahlen stabilisieren. „Es ist das stärkste Ergebnis in beiden Ländern, das wir je hatten.“

Habeck: Wir waren der Grund für die Mobilisierung

Die Grünen seien die Partei gewesen, wegen der die Wähler an die Urne gegangen seien, so Habeck. Bisher sei es in Ostdeutschland andersherum gewesen: „Wenn die Wahlbeteiligung gestiegen ist, also die Mobilisierung hoch war, dann ging es zulasten der Grünen“, so Habeck. „Jetzt hat sich das umgedreht.“

Tatsächlich war Ostdeutschland für die Partei bisher schwieriges Terrain. Die Grünen gelten dort noch immer als westdeutsch geprägt. Ihre Unterstützer fanden sie lange nur in städtischen Milieus westdeutscher Großstädte. Doch auch im Osten gibt es inzwischen grün geprägte, urbane Zentren mit Universitäten. Und: Die Grünen haben in den beiden Wahlkämpfen bewusst auch Kleinstädte beackert, um die konservativen ländlichen Räume und die strukturschwachen Regionen zu erreichen – mit Erfolg.

Natürlich sei Klimaschutz eine zen­trale Frage, sagt Habecks Co-Chefin Annalena Baerbock am Wahlabend. Und fügt hinzu: „Die Frage von starken Dörfern, ländlichen Räumen“ und Infrastruktur wie beispielsweise guten Bahnverbindungen sei ebenso wichtig. Und natürlich „ein weltoffenes Brandenburg“. Deshalb hätten so viele Menschen in den beiden Ländern grün gewählt wie nie zuvor. Das alles werde auch bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Rote Linien werde es dafür erst einmal nicht geben.

Die Grünen wollen Verantwortung übernehmen

Was der Wahlabend zeigt: Die Grünen haben sich als politische Kraft im Osten eta­bliert. Auch wenn die Hoffnungen erneut größer waren als das tatsächliche Wahlergebnis. Und auch eine echte Volkspartei sind die Grünen noch nicht – selbst wenn bundesweite Umfragen das nahelegen. Wenn morgen Bundestagswahl wäre, dann würde die Partei im Bund deutlich über 20 Prozent bekommen. Stärker sind nur noch die Unionsparteien. Dennoch: Mit einer Beteiligung an bisher acht und demnächst vielleicht an zehn Landesregierungen können die Grünen in mindestens der Hälfte aller Bundesländer mitregieren.

„Wir wollen Verantwortung und trauen sie uns zu“, sagte Habeck zuletzt selbstbewusst. Er hatte auf die Erfahrung aus den Landesregierungen verwiesen und die Oppositionsarbeit seiner Kollegen im Bundestag gelobt. All das ist aus Sicht der Grünen die beste Empfehlung auch für eine Regierungsbeteiligung im Bund.

Flächendeckende Unterstützung für die Öko-Partei

Die Ergebnisse der beiden Ost-Wahlen belegen: Die Grünen haben – anders als etwa die FDP – inzwischen nahezu gleichmäßig im gesamten Bundesgebiet eine feste Basis an Unterstützern. Im ersten Halbjahr wuchs die Partei in ganz Deutschland um 10.000 Mitglieder auf jetzt 85.000. Der Zuwachs war so groß wie im ganzen Jahr 2018.

Was den Grünen in den beiden Landtagswahlkämpfen noch geholfen haben dürfte: In beiden Bundesländern haben sie sich nicht nur als Klima- und Umweltpartei präsentiert. Sie waren die Partei, die sich – vor allem in Sachsen – explizit als Gegenpol zur AfD positioniert hat. Nach einem Zitat in einer ARD-Sendung wird über die Partei diskutiert: Ist die AfD wirklich „bürgerlich“? „Wir sind der Garant, dass die CDU nicht nach rechts abdriftet“, hatte Habeck im Wahlkampf gesagt. Das Motto dürfte auch für den nächsten Bundestagswahlkampf gelten.

Wenn die große Koalition in Berlin im Herbst wackeln und im Winter womöglich zerbrechen könnte, dann sind die Grünen vorbereitet. Sie haben Programm und Personal, um einen Wahlkampf stemmen zu können. Aber auch da dürfte gelten, dass die von den bundesweiten Umfragen befeuerten Erwartungen größer sind als die realen Chancen.