Washington. Der Handelskrieg zwischen den USA und China geht weiter. Ab dem 1. September gibt es zusätzliche Zölle, kündigte US-Präsident Trump an.

Finanzminister Steven Mnuchin durfte die Verhandlungspartner im fernöstlichen Riesenreich nicht einmal vorwarnen. US-Präsident Donald Trump verkündete die jüngste und schwerwiegendste Eskalation im Handelsstreit mit China überfallartig: Ab 1. September werden sämtliche Importe aus China im Volumen von 550 Milliarden Dollar pro Jahr mit Sonderzöllen belegt sein.

Waren bisher vor allem Industrieprodukte im Wert von 250 Milliarden Dollar mit 25 Prozent Aufschlag versehen, so soll in vier Wochen gegen Konsumgüter wie Handys, Spielzeug, Waschmaschinen, Kleidung, Computer und Schuhe im Volumen von 300 Milliarden Dollar ein Sonderzoll von zehn Prozent verhängt werden, erklärte Trump.

Erst Anfang Mai hatte Trump angekündigt, dass die Strafzölle gegen China flächendeckend bei 25 Prozent liegen sollen.

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Die Folgen: Abstürze an der Börse, wachsende Unsicherheit in der Weltwirtschaft und lauter werdendes Rumoren in den USA. Denn bereits im Weihnachtsgeschäft müssen US-Verbraucher mit stark steigenden Preisen rechnen. Der Streit zwischen den USA und China belastet auch die deutsche Wirtschaft.

US-Handelskammer prognostiziert Probleme für die Wirtschaft

Matt Priest, Sprecher der US-Schuh-Produzenten, die 70 Prozent ihrer Waren in China herstellen lassen, sprach von einer „katastrophalen Entwicklung“ und warf dem Präsidenten vor, „amerikanische Familien als Geisel“ im Handelsstreit mit Peking zu missbrauchen. Wie er, so weisen sämtliche US-Branchenverbände Trumps Behauptung zurück, dass allein China die Sonderzoll-Last trage und Amerika „Milliarden über Milliarden Extra-Einnahmen verzeichnet“.

Die US-Handelskammer stellt fest, dass die jüngste Strafmaßnahme der Regierung „nur noch größere Schmerzen bei amerikanischen Unternehmen, Landwirten, Arbeitnehmern und Verbrauchern auslösen und ein ansonsten starke US-Ökonomie untergraben wird“.

Dagegen hält Trumps einflussreichster China-Einflüsterer, Wirtschaftsberater Peter Navarro, an der Interpretation fest, die bis in die Spitze der Welthandelsorganisation und des Internationalen Währungsfonds Sorgen vor einer noch stärkeren globalen Konjunkturelle durch den seit über einem Jahr zwischen Peking und Washington laufenden Handelsstreit auslöst: „Wir lieben Zölle. Zölle sind eine wundervolle Sache.“

Reagiert China mit Vergeltungszöllen

Dass Trump mit seiner Entscheidung den erst vor wenigen Wochen beim G20-Gipfel in Osaka mit Amtskollege Xi Jinping vereinbarten Burgfrieden (keine weiteren Zölle während laufender Verhandlungen) aufkündigte, gilt Analysten in Washington als Zeichen „für eine dramatische Verschärfung, die die Weltwirtschaft auf Monate wenn nicht Jahre beeinträchtigen könnte“.

Absehbar sei, dass Peking – obwohl es weniger aus den USA importiert als umgekehrt – mit Vergeltungszöllen und anderen Maßnahmen zurückschlägt. Das Außenministerium in Peking kündigte gestern entsprechende Gegenmaßnahmen an, nannte aber keine Details. Nur so viel: „Wir werden uns nicht erpressen lassen.“

Als Begründung für die neuerlichen Sanktionen führte Trump bei einer Wahlkampf-Kundgebung in Cincinnati bemerkenswerter Weise nicht die Standard-Argumente an, wonach die USA mit China ein ungesund hohes Handelsdefizit hätten und in China unter verengten Marktzugängen, Dumpingpreisen und Technologie-Diebstahl litten.

Donald Trump will sogar noch höhere Zölle

Auslöser sei gewesen, dass in den Verhandlungen zuletzt zunehmend der Eindruck entstanden sei, Peking wolle Trump bis zur Wahl 2020 aussitzen; in der Hoffnung, dass ein demokratischer Präsident den Konfrontationskurs verlässt, den Trump seit Beginn seiner Amtszeit eingeschlagen hat.

Erschwerend, so Trump, komme hinzu, dass sich Peking nicht an vereinbarte Käufe amerikanischer Agrar-Güter (Soja, Baumwolle etc.) gehalten habe und – sachfremdes Thema – den Zufluss der für Tausende Tote verantwortlichen Droge Fentanyl in die USA nicht stoppe. Solange China nicht beidrehe und ein US-freundliches Abkommen unterzeichne, werde man das Land „höllenmäßig“ besteuern, erklärte Trump.

Chinas Wirtschaftswachstum ginge dann um einen Prozentpunkt zurück, prophezeien Experten in Washingtoner Denkfabriken. Sollte es dazu kommen, werde die US-Notenbank wahrscheinlich gezwungen sein, die Leitzinsen noch weiter zu senken. Genau das fordert Trump.

US-Demokraten nennen Trumps Schritt „riskant“

Als die US-Notenbank am Mittwoch zum ersten Mal nach zehn Jahren die Zinssätze um 0,25 Prozentpunkte reduzierte, um einer möglichen Abschwächung der US-Wirtschaft vorzubeugen, beschwerte sich Trump über den Kleinmut der Banker um Jerome Powell. Dabei hatte der Fed-Chef ausdrücklich betont, dass es die von Trump initiierten Unsicherheiten im Welthandel waren, die die Notenbank zu ihrem präventiven Schritt veranlasst habe.

Nach Einschätzung der oppositionellen Demokraten, die Trumps Anti-China-Politik bisher nur halbherzig verurteilt haben, geht der Präsident mit der aktuellen Eskalation eine „riskante Wette“ ein. Knickt Peking nicht beizeiten ein, könnten steigende Konsumenten-Preise und zurückgehende Investitionsbereitschaft der US-Unternehmen den Aufgalopp ins Wahljahr 2020 für Trump „stark verschatten“, sagte ein Experte des Außenministeriums dieser Zeitung.

Dabei spielten vor allem Amerikas Landwirte eine Rolle. Sie stellen einer wichtige Wählergruppe Trumps. Und sie leiden unter dem Handelsstreit am stärksten, weil China etwa die jahrelangen Soja-Importe von US-Farmern enorm verteuert oder eingestellt hat.

Um den Unmut zu kanalisieren, hat Trumps Regierung den Bauern bisher 30 Milliarden Dollar „Stütze“ gewährt – aus allgemeinen Steuertöpfen. “Diese bizarren Kompensationen sind auf Dauer nicht zu rechtfertigen”, erklärte der Angestellte des State Departement, der aus Angst vor Repressalien seinen Namen nicht gedruckt sehen möchte.