Washington. Donald Trumps kalkulierte Tabubrüche zerstören den noch übrig gebliebenen Zusammenhalt der Amerikaner. Die Republikaner sind Komplizen.

Über die widerwärtigen und jeden Intellekt beleidigenden Attacken Donald Trumps gegen vier Kongress-Abgeordnete der demokratischen Opposition kann es keine zwei Meinungen geben.

Wer ordnungsgemäß gewählten Volksvertreterinnen abspricht, vollwertige Mitglieder der amerikanischen Gesellschaft zu sein, wer sie verletzend und verhetzend als Ausländerinnen aus „Dreckslochstaaten“ stigmatisiert und sie außer Landes wünscht („wem es hier nicht gefällt, der kann ja gehen”), um billigen Beifall seiner Wählerbasis zu erheischen, der gehört in therapeutische Behandlung. Aber nicht länger ins Weiße Haus.

Trumps Tabubrüche lassen US-Gesellschaft brüchiger werden

Dass Trump die Würde des Amtes nahezu täglich mit der Abrissbirne traktiert und jedem Tabubruch einen noch schäbigeren folgen lässt, ist mittlerweile Gemeingut. Gemeingut ist trügerisch. Weil es zur Abstumpfung beiträgt. Zum kollektiven Schulterzucken. So isser halt, herrjeh. Kann man nix machen.

Falsch. Ganz falsch. Und gefährlich. Denn Trumps Gift lässt den Kitt, der Amerika (noch) zusammenhält, immer brüchiger werden.

Trump attackiert Frauen, die seine Politik entlarven

Nach den zum Glück nie gezündeten Briefbomben, die im vergangenen Jahr ein glühender Trump-Fan an etliche prominente Vertreter des demokratischen Establishments schickte, weiß man, dass es Zeitgenossen gibt, die Trumps Rhetorik der Ausgrenzung mit Mitteln der Gewalt fortzusetzen bereit sind.

Trump sagt Abgeordneten, sie sollten in ihre Heimat zurückkehren

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    Ilhan Omar, Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Ayanna Pressley, über deren latent linkslastige Politikangebote man sehr wohl streiten kann, wurden bereits vor Trumps Keulenschlag mit Ekeltweets und Morddrohungen eingedeckt. Weil sie anders aussehen und reden. Vor allem, weil sie das pathologische Macho-Machtspiel in Washington mit Hilfe strammer Gefolgschaft in den den Sozialen Netzwerken immer wieder ad absurdum führen.

    Gerade in einer Frage, bei der es um Leben und Tod geht, gemeint ist das Geschehen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze, hat das Quartett substanziell dazu beigetragen, die auf Abschottung und Xenophobie setzende Politik Trumps als das zu entlarven, was sie ist und sein will: hässlich und inhuman.

    Trumps Tiraden sind gemeingefährlicher Unsinn

    Wer will jetzt ausschließen, dass verbohrte Linken-, Frauen-, Ausländer- und Islam-Hasser, angestachelt durch den auskeilenden Trump und dessen mediale Hassprediger bei Fox News & Co., nicht zum Äußersten greifen und sich ihre Wut gegen „die da“ sozusagen vom obersten Repräsentanten Amerikas indirekt absegnen lassen? Trump sagt den Frauen schließlich nicht weniger nach, als dass sie Amerika hassen. Sie sind für ihn de facto Landesverräterinnen.

    Das ist zwar gemeingefährlicher Unsinn, der an die unselige McCarthy-Zeit erinnert. Aber mehr stille Post an radikale Irrläufer, die in Amerika kinderleicht an Waffen kommen können, geht nicht. Mit bettelnden Appellen an Anstand und Dezenz und Versöhnung ist dieser beispiellosen Verrohung von Sprache nicht beizukommen. Nicht in einer politischen Trümmerlandschaft, in der sich die republikanische Partei mit Ausnahme weniger Hinterbänkler feige in die Büsche schlägt.

    Republikaner schweigen zu Trumps Rassismus

    Anstatt ihrem Präsidenten, der seinen fauligen Rassismus inzwischen offen zur Schau stellt, unmissverständlich in die Parade zu fahren. Ihr Schweigen, längst Dauer-Komplizenschaft mit einem intoleranten Eiferer zu nennen, ist die Tragödie hinter der Tragödie. Wenn die Republikaner nicht bald Rückgrat zeigen, gehen sie nach der anstehenden Schmutz-Kampagne vor der Präsidentschaftswahl 2020 mit dem “Bigot-in-Chief”, dem Obersten Eiferer, („Los Angeles Times“) unter. Und das völlig zu Recht.

    Unterdessen wächst das ernsthafte Verlangen nach einer Stimme der Vernunft, nach einem Brückenbauer, der die von Trump so schamlos erzeugten Flammen des Rassismus und Gegeneinanders erstickt, bevor es vielleicht zu spät ist. Die „Washington Post“ bettelt in ihrer Dienstag-Ausgabe ernsthaft darum, dass Barack Obama seine rhetorische Autorität in die Waagschale werfen möge, um die Verwüstungen seines Nachfolgers einzudämmen. So weit ist es gekommen.