Athen. Machtwechsel in Athen: Die konservative Nea Dimokratia hat bei den Parlamentswahlen nach Hochrechnungen die absolute Mehrheit erzielt.

Kyriakos Mitsotakis ist weder eine Stimmungskanone noch ein begnadeter Redner. Doch am Sonntagabend strahlte der Chef der bislang oppositionellen Nea Dimokratia (ND) über das ganze Gesicht. Nach amtlicher Hochrechnung kam die konservative ND bei der Parlamentswahl auf 39,7 Prozent und damit auch auf eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus.

Dies liegt daran, dass die Partei mit den meisten Stimmen einen kräftigen Mehrheitsbonus bekommt. Die linke Syriza-Partei des seit 2015 regierenden Ministerpräsidenten Alexis Tsipras landete bei 31,5 Prozent. Tsipras räumte seine Niederlage ein und gratulierte Mitsotakis.

Kyriakos Mitsotakis gilt für viele als Hoffnungsträger

Der 51-Jährige gilt für viele als Hoffnungsträger. Für den Fall seines Wahlsieges hatte er versprochen, jeden Spielraum im Haushalt für Steuersenkungen zu nutzen. „Sie haben den Menschen mehr Geld aus den Taschen genommen als nötig“, hatte er unlängst gesagt. Mitsotakis kündigte an, dass Arbeitnehmer, Verbraucher und Unternehmen künftig deutlich weniger Steuern zahlen sollen. Auf diese Weise will er die Wirtschaft ankurbeln, was auf lange Sicht mehr Geld in die Staatskasse spülen soll.

ND-Chef Kyriakos Mitsotakis mit seiner Tochter Dafni.
ND-Chef Kyriakos Mitsotakis mit seiner Tochter Dafni. © Reuters | Costas Baltas

Steuersenkungen werden aber zunächst das Budget belasten. Griechenland hatte in der Vergangenheit drei üppige Hilfspakete der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Das Kreditvolumen betrug insgesamt 280 Milliarden Euro. Die Gläubiger knüpften die Unterstützung an strikte Sparvorgaben. Tsipras versuchte, durch Steuererhöhungen Haushaltsüberschüsse zu erzielen – allerdings um den Preis, dass die Konjunktur abgewürgt wurde.

Mitsotakis will nun Firmen zu mehr Investitionen und Verbraucher zu mehr Konsum anregen. Kurzfristig dürfte dies jedoch den Staatsetat belasten. Geht sein Kalkül jedoch auf mittlere Sicht auf, könnte die griechische Wirtschaft den lang ersehnten Schub bekommen.

Griechischer Aktienindex legte rund 40 Prozent zu

Vorschusslorbeeren bekam Mitsotakis bereits an den Finanzmärkten. Anleger und Investoren setzten seit Monaten auf einen Regierungswechsel in Athen. Der griechische Aktienindex legte seit Jahresbeginn rund 40 Prozent zu. Das war die weltbeste Performance. Auch die Kreditwürdigkeit des Landes verbessert sich.

Die Ziele des designierten Premierministers sind ehrgeizig: Er will in den nächsten fünf bis zehn Jahren Investitionen von 100 Milliarden Euro ins Land holen und die jährlichen Wachstumsraten von gegenwärtig unter zwei Prozent auf vier Prozent verdoppeln. Auch die Privatisierung von Staatsunternehmen steht auf dem Programm.

Viele junge Wähler liefen vom Linksbündnis über

Obwohl Mitsotakis aus einer der ältesten Politiker-Dynastien des Landes kommt und damit als Repräsentant der alten Polit-Elite gelten könnte, sehen viele Menschen in ihm einen Erneuerer. Vor allem junge Menschen liefen bei dieser Wahl in Scharen vom Linksbündnis Syriza zu den Konservativen über.

Schon bei der Europawahl Ende Mai hatte die ND erstmals in ihrer Geschichte eine klare Mehrheit unter den 17 bis 24 Jahre alten Erstwählern, aber auch in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen und unter den Studenten gewonnen. Diese Wählergruppen hatten noch 2015 mehrheitlich für Syriza gestimmt.

Wahlsieger Mitsotakis arbeitete als Analyst bei Bank

Nach dem Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an den amerikanischen Elite-Universitäten Harvard und Stanford arbeitete Mitsotakis als Analyst bei der Chase Bank in London, bei der Beratungsfirma McKinsey und bei mehreren griechischen Banken. 2004 kandidierte er zum ersten Mal für einen Parlamentssitz. Im Januar 2016 wurde er in einem Mitgliederentscheid zum Vorsitzenden der ND gekürt.

Mitsotakis tritt leger auf, krempelt gern die Hemdsärmel hoch, wirkt aber nie kumpelhaft. Im Wahlkampf trug er häufig Jeans und Polohemd. Aber zu seinem Stil gehört, dass er im Parlament und bei offiziellen Anlässen stets im dunklen Anzug mit Krawatte erscheint. Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Alexis Tsipras: Der kam selbst zu Staatsempfängen mit offenem Hemdkragen.