Berlin. Die EU streitet ums Personal – und viele finden das nicht demokratisch. Warum Martin Schulz bei Maybrit Illner die CSU verteidigte.

Es dauert nicht lange, bis es Martin Schulz zu bunt wird. Der SPD-Politiker ist ein leidenschaftlicher Europäer. Und er kann sehr allergisch reagieren, wenn das EU-Parlament oder dessen Abgeordnete ungerecht behandelt werden. So passiert am Donnerstagabend bei Maybrit Illner – zumindest aus der Sicht von Schulz. Bei den Nutzern kam sein Auftritt in der Talkshow ziemlich gut an. Viele stimmen dem früheren Präsidenten des EU-Parlaments bei seiner Einschätzung zu.

Die französische Journalistin Elisabeth Cadot hatte gerade begründet, warum der CSU-Politiker und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber aus Sicht von Präsident Emmanuel Macron ungeeignet sei für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten: Der Bayer Weber sei zu unbekannt, es fehle ihm an Vernetzung. Was da mitschwang: Weber ist zu provinziell.

Maybrit Illner diskutiert über Europa – Das waren die Gäste:

  • Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europaparlaments
  • Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär
  • Annalena Baerbock, Grüne-Parteivorsitzende
  • Elisabeth Cadot, Journalistin
  • Gerald Knaus, Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI)
  • Dirk Schümer, „Die Welt“-Redakteur

Martin Schulz bei Maybrit Illner: „Das ist arrogant“

Ein Affront für Martin Schulz. „Das ist arrogant“, polterte der SPD-Politiker. Weber führe seit Jahren eine Fraktion – „und das sehr erfolgreich“. Er binde Leute ein, spreche mit Partei- und Regierungschefs, kenne sich aus auf der großen Bühne. Schulz, der von 2012 bis 2017 an der Spitze des Europäischen Parlaments stand, war die Verärgerung anzumerken – nicht nur in dieser Szene.

„Scherbenhaufen Europa – Krise von Brüssel bis Berlin?“ hieß das Thema bei Maybrit Illner, nachdem feststeht, dass Ursula von der Leyen (CDU) zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden soll. In der Großen Koalition sorgt die Entscheidung für neue Unruhe: Von der Leyen gilt als angeschlagene Ministerin – und die Sozialdemokraten hätten gerne ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans als Nachfolger von Jean-Claude Juncker gesehen.

Hintergrund: Ihre Freunde, ihre Gegner: Von der Leyens schwierige Mission.

Martin Schulz nimmt Angela Merkel in Schutz

Doch auf scharfe Attacken in Richtung der Kanzlerin verzichtete Schulz. Im Gegenteil: Der ehemalige SPD-Chef nahm Angela Merkel in Schutz. „Sie hat sich korrekt verhalten“, sagte Schulz. Der Europäische Rat habe sich – mit Ausnahme Deutschlands – für Ursula von der Leyen ausgesprochen. Das Problem sei ein anderes: Das Parlament habe sich nicht auf einen Kandidaten einigen können. Es hat versagt. Eine Erkenntnis, die von Illners Runde mehrheitlich geteilt wurde.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock diagnostizierte einen „Schaden an der europäischen Demokratie“, der „Welt“-Journalist Dirk Schümer meinte zwar, dass die Kanzlerin machtpolitisch einen Sieg errungen habe, der Schaden aber trotzdem da sei. Einzig CDU-General Paul Ziemiak präsentierte sich gut gelaunt: 27 von 28 EU-Staaten hätten grünes Licht für von der Leyen gegeben, der Rat habe nicht gegen die europäischen Verträge gehandelt – was formal stimmt.

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Allerdings stand die Wahl zum EU-Parlament in diesem Jahr unter anderen Vorzeichen: Sozialdemokraten, Konservative und Liberale waren mit eigenen Spitzenkandidaten in die Wahl gezogen – die allesamt keine Rolle mehr spielen. Aus Sicht von SPD-Mann Schulz hätten sich Manfred Weber und Frans Timmermans nach der Wahl zusammensetzen und sagen müssen: Einer von uns wird es. So habe sich das Parlament aber selbst blockiert.

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      Stimmen die Grünen für Ursula von der Leyen?

      Die spannende Frage lautet jetzt: Was will eine Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen? Die Grüne Baerbock wünscht sich ein Bekenntnis zu einem ökologischen und sozialen Europa. Ob die Grünen-Abgeordneten im EU-Parlament für die deutsche Verteidigungsministerin stimmen, ließ sie offen.

      Kommentar: Mit von der Leyen wird Europa deutscher – und weiblicher

      Deutlich konkreter wurde Martin Schulz: Der Ex-SPD-Kanzlerkandidat erwartet, dass von der Leyen klare Kante gegen rechts zeigt. „Sie muss sagen, dass auch Länder wie Ungarn und Polen Flüchtlinge aufnehmen. Und sie muss klar sagen, dass sie die Stimmen der Rechten nicht will – so wie Jean-Claude Juncker das auch getan hat“, so Schulz.

      Seine These: Der Widerstand aus Osteuropa gegen Timmermans und Weber sei so groß gewesen, da beide Politiker Solidarität bei der Verteilung von Asylbewerbern verlangt hätten.

      Auch im Netz wurden Schulz Äußerungen zum Teil kontrovers diskutiert. Hier eine Auswahl der Kommentare:

      • „Der Ex-#SPD-Parteichef Martin #Schulz ist ein erkennbar guter Europapolitiker, wie man bei #Illner einmal mehr sieht.Schade, dass er nicht in #Brüssel geblieben ist. Er wäre vermutlich ein guter #EU-#Kommissionspraesident geworden.“
      • „Martin Schulz hat den schlechtesten Minister aller Zeiten vergessen: Seehofer. Wenigstens wird der nicht Kommissionspräsident. Grusel. #illner“
      • „Schulz sagt heute vieles, was absolut plausibel klingt #illner“

      Juncker begrüßt seine mögliche Nachfolgerin

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        Kann von der Leyen aber EU-Kommissionspräsidentin? CDU-General Paul Ziemiak sagte, na klar, uneingeschränkt ja. SPD-Mann Schulz will ihr eine „faire Chance“ geben, vergaß aber nicht, auf ihre „miese Leistungsbilanz“ in Deutschland zu verweisen. Die Kanzlerin lobte er für diesen Schachzug: Sie habe eine der unbeliebtesten Minister aus der Regierung entfernt – und zwar ganz geräuschlos.

        Hintergrund zur Causa von der Leyen: Die SPD spürt ihren Bedeutungsverlust.

        Migrationsfrage bleibt das entscheidende Thema in Europa

        Noch ist unklar, welche Schwerpunkte von der Leyen setzen möchte – und ob sie im Parlament eine Mehrheit bekommt. Fest steht aber: Europa ist nach wie vor gespalten, Populisten regieren mit. Und wollen die Krise. Der Migrationsforscher Gerald Knaus sagte, dass die Regierungen in Rom, Warschau und Budapest ihre Legitimation aus Problemen ziehen – und nicht aus deren Lösung.

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          Die Migrationsfrage wird von der Leyen also auch in Brüssel beschäftigen – sofern das Parlament sie in der Woche ab dem 15. Juli wählt und damit die eigene Demütigung akzeptiert. Grünen-Chefin Baerbock glaubt, dass es eine Mehrheit gibt, sofern sich von der Leyen für ein progressives Europa mit mehr Klimaschutz ausspricht.

          Und wenn nicht?

          „Das würde uns in eine schwere Lange bringen“, sagte CDU-General Ziemiak. Zum ersten Mal an diesem Abend klang auch er beunruhigt.

          Dies war die letzte Sendung von Maybrit Illner vor der Sommerpause. Hier lesen Sie, wann „Hart aber fair“, Anne Will und die anderen Talkrunden Sommerpause machen.

          Maybritt Illner in der ZDF-Mediathek anschauen

          Sie haben die aktuelle Folge von Maybrit Illner verpasst? Hier können Sie die Sendung in der Mediathek anschauen.