Berlin. In einigen Großstädten sind die Unfälle mit Radfahrern in den vergangenen Jahren angestiegen. Hilft eine Kennzeichenpflicht dagegen?

Während Autofahrer, Rollerfahrer und sogar E-Bike-Fahrer Kennzeichen haben müssen, sind Radfahrer in Deutschland ohne Nummernschild unterwegs. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag unserer Redaktion wünscht sich jeder zweite Deutsche, dass sich das ändert.

Auf die Frage „Sollte Ihrer Meinung nach eine Pflicht zur Kennzeichnung von Fahrrädern eingeführt werden?“ antworteten 53 Prozent der Befragten mit Ja. 38,4 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Dabei sind 29,9 Prozent „auf jeden Fall“ für die Kennzeichnung von Fahrrädern, 22,2 Prozent wollen dies „auf keinen Fall“. (Stand 26. Juni 2019, 22.27 Uhr)

Die Debatte um eine Kennzeichnungspflicht von Fahrrädern hatte die CDU in Hamburg in Gang gebracht. Laut einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des CDU-Politikers Dennis Thering ist die Zahl der von Radfahrern verursachten Unfälle von 1799 Fällen im Jahr 2017 auf 1852 im Jahr 2018 gestiegen. Dies hatte das „Hamburger Abendblatt“ berichtet. Therings Vorschlag zu einer Kennzeichnungspflicht hatte in sozialen Netzwerken bundesweit für Diskussionen gesorgt.

Civey-Umfrage: Junge Befragte eher gegen Kennzeichen für Fahrräder

Wie die aktuelle Civey-Umfrage zeigt, wird diese Diskussion jedoch je nach Bevölkerungsgruppe unterschiedlich geführt. Jüngere Teilnehmer der Umfrage lehnen die Kennzeichnungspflicht eher ab als ältere Befragte. So sind 63,5 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gegen Kennzeichen am Fahrrad, bei den über 65-Jährigen sind es nur 24,3 Prozent.

Das oft vorgebrachte Argument, dass junge Radfahrer absolut für mehr Unfälle verantwortlich sind, erklärt dieses Ergebnis der Umfrage nicht. Denn durch Daten lässt es sich nicht belegen. Im Gegenteil: Im Jahr 2017 waren laut Statistischem Bundesamt 13.232 18- bis 35-jährige Fahrradfahrer für Verkehrsunfälle mit Personenschaden verantwortlich. Die Gruppe der 35- bis 65-Jährigen war demnach für 19.247 Unfälle mit Personenschaden verantwortlich.

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Während sich die Mehrheit eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder wünscht, blickt der Nachbar Schweiz schon auf jahrelange Erfahrung mit Nummernschildern zurück – den so genannten Velovignetten. Bereits seit den 1890er Jahren hatten die Schweizer Kantone Schilder für Fahrräder ausgegeben. Zuletzt war an die Vignette eine Haftpflichtversicherung gekoppelt. Seit Januar 2012 ist die Pflicht zur Velovignette jedoch erloschen.

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    Ob Kennzeichen tatsächlich für eine höhere Rücksichtnahme im Straßenverkehr sorgt, ist umstritten. Siegfried Brockmann, von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigte sich schon 2014 im „Tagesspiegel“ skeptisch. Wie beim Auto müsste bei einem Verstoß schließlich der Fahrer ermittelt werden. Über ein Kennzeichen ließe sich aber nur klären, wem ein Rad gehört, nicht wer es zum Unfallzeitpunkt gefahren habe.

    Zumindest im Bundesverkehrsministerium scheint es nach Information unserer Redaktion aktuell keine Bestrebungen zu geben, Kennzeichen für Fahrräder einzuführen. Stattdessen könnten mehr Rücksicht auf Radler und strengere Regeln für Autofahrer helfen. So plant es Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Die Regeln sehen auch höhere Bußgelder für zugeparkte Radwege vor.

    Zur Umfrage: Die Befragung wurde online vom 25. bis zum 26. Juni 2019 durchgeführt. Die Stichprobengröße betrug 5008, der statistische Fehler lag bei 2,5 Prozent (Stand 26. Juni 2019, 22.27 Uhr).