Berlin. Die Treuhand-Entscheidungen will die SPD historisch aufarbeiten. Einen Untersuchungsausschuss, den die Linke fordert, lehnt sie ab.

Die SPD will 30 Jahre nach dem Mauerfall die Wendezeit und die Entscheidungen der Treuhand bei der Privatisierung der DDR-Wirtschaft aufarbeiten.

„Aus heutiger Sicht muss man sagen, die Bundesrepublik hätte Ostdeutschland nicht einfach nur als weiteren Absatzmarkt sehen dürfen, sondern hätte stärker in die bestehenden Produktionsstätten investieren und den dort arbeitenden Menschen nach der Wendezeit eine Perspektive geben müssen“, sagte die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig unserer Redaktion.

Schwesig lehnt Treuhand-Untersuchungsausschuss ab

Einen von der Linkspartei geforderten Treuhand-Untersuchungsausschuss im Bundestag lehnte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern entschieden ab. „Ein Untersuchungsausschuss ist nicht der richtige Ort dafür. Wir brauchen nicht die 99. Aufarbeitung durch Experten, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe mit Ostdeutschen, die damals dabei waren“, sagte Schwesig. Die SPD gehe nun voran.

So setzte der Parteivorstand am Montag auf Initiative des sächsischen Landeschefs Martin Dulig eine Arbeitsgruppe ein. Diese soll zusammen mit Historikern, Politikern und Sozialwissenschaftlern Vorschläge machen, „wie wir einen gesellschaftspolitischen Diskurs in ganz Deutschland über die Transformationsphase nach 1989/90 und die Deutsche Einheit initiieren“.

Treuhand-Akten werden historisch ausgewertet

Neben der bereits begonnenen historischen Auswertung der Treuhand-Akten müssten auch Erfahrungen von Zeitzeugen, die ihre persönlichen Geschichten nach 1990 erzählen sollen, einbezogen werden. Dabei müssten „Konflikte und Widersprüche“ benannt sowie „Mythen“ entzaubert werden. „Es gilt das Schiefgelaufene und das Erfolgreiche in jenem historischen Umbruch zu verstehen und handhabbar zu machen“, heißt es im Beschluss des Parteivorstandes, der unserer Redaktion vorliegt.

Schwesig betonte, oft höre sie von Ostdeutschen, wie Fabriken nach der Wende plötzlich zugemacht worden seien. „Die Bürger erzählen mir die Geschichten, wie sie über Nacht arbeitslos geworden sind und die Firma plattgemacht wurde.“ Es habe kürzlich bewegende Bilder gegeben, als das letzte Steinkohle-Bergwerk im Westen geschlossen worden sei. „Das muss man sich in Ostdeutschland nach der Wende für fast alle Städte und Branchen vorstellen. Im Westen haben wir den Abschied von der Steinkohle emotional stark begleitet, das fand ich sehr gut.“

Linksfraktion fordert Treuhand-Untersuchungsausschuss

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, appelliert an SPD und Grüne, den Antrag der Linken für einen Treuhand-Untersuchungsausschuss zu unterstützen. „Es geht auch um die emotionale Einheit und den inneren Frieden des Landes“, sagte Bartsch unserer Redaktion. Sein Aufruf gehe „zuerst an SPD und Grüne, eine parlamentarische Untersuchung nicht mit Schwarz-Gelb zu blockieren“.

Die Linke werde bei der Treuhand-Aufarbeitung nicht locker lassen. „Im 30. Jahr der Einheit ist es höchste Zeit.“ Der Bundestag berät am Donnerstag über einen Antrag der Linksfraktion zum Thema. Die AfD zielt wie die Linke auf eine parlamentarische Aufarbeitung der Privatisierungspolitik.

Hintergrund: AfD und Linke machen Wahlkampf mit dem Treuhand-Trauma

Die Treuhand-Anstalt hat nach der Wiedervereinigung die Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft verantwortet. Der beantragte Untersuchungsausschuss soll unter anderem klären, ob dabei überlebensfähige Unternehmen geschlossen wurden. Vorladen will die Linke unter anderem den ehemaligen Finanzminister Theo Waigel, den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, Anfang der 1990er Staatssekretär im Finanzministerium, und Thilo Sarrazin, der 1990 bis 1991 für die Treuhand arbeitete.