Berlin. Die Bundesregierung hat sich auf verschärfte Grundsätze für Rüstungsexporte geeinigt. Am Mittwoch muss noch das Kabinett zustimmen.

Die Bundesregierung hat sich nach langem Streit zwischen Union und SPD auf eine Verschärfung der seit 20 Jahren geltenden politischen Grundsätze für Rüstungsexporte geeinigt. Das erfuhr unsere Redaktion aus Regierungskreisen. Kern der Verständigung, die vom Auswärtigen Amt, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Kanzleramt erzielt wurde, ist demnach, dass künftig die Ausfuhr von Kleinwaffen aus deutscher Produktion in Drittstaaten – damit sind Länder außerhalb von Nato und EU gemeint – komplett verboten ist. Das war eine Kernforderung der SPD. Die Union liefert den bedrohten Sozialdemokraten mit ihrem Entgegenkommen Munition für die parteiinterne Debatte, ob die Fortsetzung der Koalition Sinn macht.

Kleinwaffen gelten als „Massenvernichtungswaffen“, weil mit ihnen in weltweiten Konflikten die meisten Menschen getötet werden. Zu der Waffengattung zählen Maschinenpistolen, Sturmgewehre und tragbare Panzer- und Flugabwehrraketen. In der Zeit von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war die Ausfuhr von Kleinwaffen in Drittstaaten bereits deutlich zurückgegangen. 2018 erteilte die Regierung Genehmigungen für Kleinwaffen und Kleinwaffenteile im Gesamtwert von rund 39 Millionen Euro. Im Jahr 2017 waren es noch rund 48 Millionen Euro. Die Genehmigungen von Kleinwaffen für Drittländer umfassten 2018 einen Wert von rund 400.000 Euro (2017: 15,1 Millionen Euro).

Rüstungsexportpolitik bleibt restriktiv

Nicht durchsetzen konnten sich CDU und CSU mit dem Wunsch, die Gruppe der Nato-gleichgestellten Staaten zu erweitern. Es bleibt dabei, dass nur Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz in dieser Gruppe bleiben.

Die neuen Grundsätze für Rüstungsexporte sollen an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Außerdem will die Regierung härtere Regeln für den Transfer von Wehrtechnik ins Ausland verankern, damit Rüstungskonzerne nicht Technologien in Drittstaaten ausführen, die von dort später ohne Genehmigung auf andere Märkte weiterverkauft werden.

Dazu wird in die Grundsätze ein entsprechender Prüfvorbehalt eingefügt. Rheinmetall hatte entsprechende Produktionsverlagerungen nach Italien und Südafrika vorgenommen, was die Politik alarmiert hatte.

Erstmals „Post-Shipment-Kontrollen“

Auch drohen Empfängerländern von Rüstungsgütern, die spätere Vor-Ort-Kontrollen aus Deutschland verweigern, Konsequenzen bei künftigen Genehmigungen. So werden in den Grundsätzen erstmals „Post-Shipment-Kontrollen“ erwähnt, die dazu dienen sollen, den Endverbleib deutscher Rüstungsexporte zu kontrollieren.

Auf Drängen der Union wird in die Präambel der politischen Grundsätze eingefügt, dass auf eine Konvergenz in der europäischen Rüstungsindustrie hingearbeitet werde und insbesondere die „internationale Kooperations- und Bündnisfähigkeit“ Deutschlands sichergestellt sein müsse. Frankreich und Großbritannien hatten sich massiv beklagt, dass durch den Exportstopp nach Saudi-Arabien gemeinsame Rüstungsvorhaben durch Berlin gefährdet seien.

Allerdings wird in der neuen Präambel auch festgehalten, dass die Rüstungsexportpolitik weiter restriktiv gestaltet werde, hieß es aus Regierungskreisen.

Proteste gegen Rüstungskonzern Rheinmetall

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    Exporte nach Riad dürfen nicht ausgeliefert werden

    Die „politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ stammen aus der Zeit der damaligen rot-grünen Regierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Im aktuellen Koalitionsvertrag hatte die SPD eine „Jemen-Klausel“ durchgesetzt, die Waffenlieferungen an im Jemen-Konflikt beteiligte Staaten ausschließen soll. Erst Ende März hatte die Koalition nach dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi einen kompletten Lieferstopp nach Saudi-Arabien um sechs Monate bis Ende September verlängert.

    Die Bundesregierung hatte seit Jahresanfang dennoch Rüstungslieferungen für mehr als eine Milliarde Euro an die von Saudi-Arabien geführte Allianz im Jemen-Krieg genehmigt. Auch auf Wunsch Frankreichs gab es Ausnahmen. Zwischen 1. Januar und 5. Juni wurden allein 13 Exporte für 801,8 Millionen Euro nach Ägypten und 43 Ausfuhren für 206,1 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt.

    Mehrere von Riad bestellte und teilweise fertiggestellte Patrouillenboote liegen dagegen auf der Peene-Werft im mecklenburg-vorpommerischen Wolgast fest und dürfen nicht ausgeliefert werden. Bund und Werftbesitzer verhandeln über eine finanzielle Entschädigung. Alternativ könnte die Bundespolizei Boote für den Grenzschutz übernehmen.