Düsseldorf. Die Zahl der Teilzeit- und Minijobber sowie Menschen, die befristet angestellt sind, bleibt hoch. Welche Faktoren das begünstigen.

Arbeiten in Teilzeit, Minijobs und befristete Verträge – in Deutschland ist das für ein Fünftel der Arbeitnehmer zwischen 15 und 64 Jahren Realität. Die Zahl dieser sogenannten atypischen Beschäftigten rangiere damit weiterhin auf einem hohen Niveau, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am Montag mit. Im Gesundheits- und Sozialwesen ist sie am höchsten, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen.

Grundlage für die WSI-Datenauswertung sind die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2017. Atypisch beschäftigt ist, wer in Teilzeit arbeitet, einen Minijob hat oder befristet beziehungsweise als Leiharbeiter angestellt ist. Ausgenommen sind Menschen die eine Ausbildung machen, in einem Ferienjob arbeiten oder etwa einen Dienst wie den Wehrdienst leisten.

Viele Frauen verzichten wegen Kindern auf Vollzeitstellen

Eine Gebäudereinigerin wischt einen Flur. Frauen sind deutlich stärker von atypischer Arbeit betroffen als Männer.
Eine Gebäudereinigerin wischt einen Flur. Frauen sind deutlich stärker von atypischer Arbeit betroffen als Männer. © dpa | Jens Büttner

Laut WSI gibt es unterschiedliche Faktoren, die mit atypischer Beschäftigung zusammenhängen – zum Beispiel das Geschlecht: Fast jede dritte Frau steckt in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Bei den Männern trifft dies hingegen nur auf knapp jeden Zehnten zu.

Atypische Beschäftigung ist laut dem Sozialverband VdK ein Risiko mit Blick auf die Rente. Viele Frauen verzichten zum Beispiel für die Kindererziehung auf Vollzeitstellen und arbeiten stattdessen in Mini- oder Teilzeitjobs. So erhielten sie später nur eine kleine Rente und seien besonders häufig von Altersarmut betroffen, erklärt VdK-Sprecherin Cornelia Jurrmann. Die Rentenversicherung erwartet bereits mehr Rentner mit Grundsicherung.

Hintergrund: Kommt die Grundrente? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Arbeitgeber halten flexible Arbeitsformen für notwendig

Flexible Beschäftigungsformen wie Minijobs sind aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aber auch unverzichtbar für die Arbeitsmarktdynamik: „Sie erleichtern den Einstieg in Arbeit und bieten neue Beschäftigungsperspektiven für gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose.“

In den Augen der Gewerkschaften ist das jedoch „Rosinenpickerei“. „Der Arbeitgeber holt sich den Arbeitnehmer ran, wenn er ihn braucht und wenn er ihn nicht mehr braucht, wird er wieder entlassen“, kritisiert der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Johannes Jakob.

Minijobs führten zu einer Entwertung der eigenen Qualifikation. „Die meisten sind nicht qualifikationsgerecht beschäftigt, der Fachkräftemangel wird verschärft.“ Dasselbe gilt demnach für Leiharbeiter. Diese seien trotz abgeschlossener Berufsausbildung häufig als Helfer beschäftigt und verdienten deshalb weniger.

Niedrigere Zahlen im Osten – wegen besserer Kinderbetreuung

Auffällig sind Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. In Brandenburg ist der Anteil an atypisch Beschäftigten mit 14 Prozent am niedrigsten, in Bremen mit 26,2 Prozent dagegen am höchsten. In den Ost-Bundesländern ist die Quote nicht höher als 17,5 Prozent. Der Westen weist dagegen höhere Anteile auf.

Hamburg hat mit 17,9 Prozent noch den niedrigsten unter den West-Bundesländern. Grund ist nach Auffassung des WSI die besser ausgebaute Kinderbetreuung im Osten. Das ermögliche vor allem Frauen, Vollzeit zu arbeiten.

Immer mehr Ausländer in Teilzeit, Minijob oder mit Befristung

Entscheidend ist auch das Alter: Berufsanfänger erhalten oft nur einen befristeten Vertrag und sind damit atypisch beschäftigt, wie das WSI schreibt. Unter den 15- bis 24-Jährigen betrifft das fast ein Drittel. Außerdem ist entscheidend, ob man Deutscher ist oder nicht und wie hoch der Bildungs- oder Berufsabschluss der Arbeitnehmer ist.

Besonders die Zahl der atypisch-beschäftigten Ausländer nahm über die Jahre zu. Durch die gute Konjunktur seit 2011 sank dagegen die Zahl der deutschen Frauen in atypischer Beschäftigung um knapp 450.000 und die der Männer um 183.000.

• Neben der atypischen Beschäftigung ist auch eine andere Zahl hoch: Rekord bei Nebenjobs: Vielen reicht eine Arbeit nicht mehr.

• Finanzielle Erleichterung gibt es bald für Midijobber: Neue Gesetze im Juli: Kindergeld, Rente, Steuererklärung

(dpa/cho)