Berlin. Seit Jahren wird die Digitalisierung der Bildung in Sonntagsreden als wichtig besungen. Doch in der Realität gibt es noch viel zu tun.

Bevor es losgeht mit diesem Kommentar, werfen Sie doch bitte noch einmal einen kurzen Blick auf den Kalender oder das Datum, das oben rechts auf dieser Seite steht: Es ist das Jahr 2019. Man muss das betonen, weil es wichtig ist für die Einordnung der folgenden Nachricht: Ein Drittel der Schulen in Deutschland hat schnelles Internet.

Genauso viele haben genügend Endgeräte, also Computer oder Tablets, für wenigstens eine Klasse. Der Rest hat Tageslichtprojektoren, Kreidetafeln und „Keine Handys im Klassenzimmer“-Regeln. Schultore sind die wahrscheinlich am weitesten verbreitete Form von Zeitreiseportalen.

Situation an Schulen ist peinlich

Es gibt eine Reihe von Adjektiven, mit denen man diesen Zustand beschreiben kann. „Peinlich“ drängt sich auf, „fahrlässig“ auch, für ein Land, das stolz ist auf seine Innovationskraft und den Anspruch hat, bei Forschung und Zukunftstechnologien vorne mitzuspielen.

Zwar erhöht sich seit Jahren stetig die Frequenz, mit der die Digitalisierung der Bildung in politischen Sonntagsreden als Schlüsselfrage besungen wird. Aber im Alltag an vielen Schulen, im tatsächlichen Einsatz von Ressourcen spiegelt sich das kaum wider.

Hintergrund: Nur jede dritte Schule hat Wlan und schnelles Internet

Internetzugang muss an Schulen zur Grundausstattung gehören

Viele Eltern, Lehrer und Schüler, werden an dieser Stelle zu recht einwenden, dass schnelles Internet nicht die einzige Ausstattungslücke vieler Schulen ist und dass sie sich über funktionierende, nicht-ekelhafte Schulklos auch sehr freuen würden. Dabei sollte das überhaupt kein Gegensatz sein.

Denn Zugang zum größten Informationsnetz der Erde muss – rund 30 Jahre nach dessen Erfindung – genauso zur Grundausstattung von Schulen gehören wie funktionierende Sanitäranlagen.

Lehrer müssen die Wahl haben können

Das heißt nicht, dass ein Smartboard an der Wand und ein Satz Laptops im Klassenschrank aus allen Mädchen und Jungen Code-Wunderkinder und zukünftige Start-up-Gründer macht. Es heißt auch nicht, dass jede Unterrichtsstunde digital sein muss. Im Gegenteil, viele Inhalte erfordern, dass Kinder und Jugendliche sich für einen Moment abkoppeln von der 24-Stunden-Aufmerksamkeitsmaschine in ihrer Hosentasche und zurückgeworfen sind auf ihre eigenen Fähigkeiten.

Aber Lehrer müssen die Wahl haben, wann sie auf die gar nicht mehr so neuen Medien setzen und wann auf Digital-Unterricht. Und sie brauchen den Überblick, diese Entscheidung informiert treffen zu können.

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Schüler müssen auf die Welt vorbereitet werden

Digitalisierung ist vor allem ein Kulturwandel. Aber das ist nichts, was in den analogen Schulalltag nebenbei mit zwei Stunden Schulung nach der letzten Stunde eingeflochten werden kann. Schule hat nicht nur die Aufgabe, Lesen, Schreiben, Fremdsprachen und grundlegende Kenntnisse in Geografie und Naturwissenschaften zu vermitteln.

„Bildung“ als Aufgabenbeschreibung heißt: Jugendliche am Ende der Schullaufbahn im Idealfall so in die Welt zu schicken, dass sie mitreden können und wollen. Dass sie eine Vorstellung davon haben, wie sie leben wollen und wie sie dahin kommen. Wie soll das funktionieren, wenn in Schulen so getan wird, als hätte die wichtigste gesellschaftliche Umwälzung der letzten Jahrzehnte nie stattgefunden?

Starkes WLAN-Signal und Tablets sind das Mindeste

Wenn es im bisherigen Tempo weitergeht, werde es 2034 sein, bis es an allen Schulen Klassensätze mit Endgeräten für die Schüler gibt, sagt der Lehrerverband VBE. Da werden dann Kinder ihren Abschluss haben, die jetzt noch nicht ihren Namen schreiben können, und sie werden sich auf Berufe vorbereiten, von denen wir einige jetzt noch nicht kennen.

Wenn Bildungspolitik eine Chance haben will, diese Kinder darauf vorzubereiten, dann braucht sie mehr als ein starkes Wlan-Signal und ein paar Tablets. Aber das ist das Mindeste.

• Im Februar hat die Politik immerhin Milliardenhilfen auf den Weg gebracht: Digitalpakt: Bekommt mein Kind jetzt ein Schul-Tablet?

(Theresa Martus)