Berlin. Dem ORF-Moderator Wolf wird vom Stiftungsrat des Senders eine Auszeit nahegelegt. Deutsche Journalisten ergreifen Partei für ihn.

Es geschieht nicht jeden Tag, dass deutsche Journalisten an die Öffentlichkeit gehen, weil sie die Pressefreiheit in einem befreundeten Nachbarstaat bedroht sehen, der bisher in dieser Hinsicht als gänzlich unproblematisch galt.

Im Falle Österreichs ist genau das nun passiert: Der ehemalige „Spiegel“- Reporter Cordt Schnibben twitterte: „Bitte aufwachen, was da im Nachbarland passiert, braucht unser Interesse und unsere Solidarität.“ Der Deutsche Journalisten-Verband mahnte: „Feinde der Pressefreiheit dürfen nicht gewinnen.“ Und ZDF-Moderator Claus Kleber schrieb: „Es geht offensichtlich darum, das Undenkbare nun endlich denkbar zu machen.“

Alle drei Wortmeldungen bezogen sich auf ein Interview, dass der Moderator der mit den „Tagesthemen“ vergleichbaren Nachrichtensendung „Zeit im Bild 2 (ZiB 2)“ des österreichischen ORF, Armin Wolf, am 23. April mit dem Generalsekretär der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ Harald Vilimsky führte.

FPÖ-Mann droht mit Konsequenzen

Kurz zuvor hatte ein anderer FPÖ-Politiker Migranten mit Ratten verglichen. Auch deshalb stellte Wolf im Verlauf des Gesprächs ein gezeichnetes Wahlplakat der Rechtspopulisten, auf dem Flüchtlinge mit großen Nasen, eng zusammenstehenden Augen und zusammengewachsenen Augenbrauen zu sehen waren einem ganz ähnlichen Zerrbild eines Juden gegenüber, das einst im NS-Hetzblatt „Stürmer“ erschienen war.

Daraufhin drohte Vilimsky noch vor laufender Kamera Wolf mit Konsequenzen. „Das“ könne „nicht ohne Folgen bleiben“, sagte er. Wolfs Vorgehen habe „eine Qualität, die nach unten offen ist“. Und: „Ich halte das für einen Skandal der Sonderklasse.“ Vilimskys Parteifreundin Ursula Stenzel, eine ehemalige ORF-Moderatorin, sagte nach der Sendung gar, Wolf hätte in einem „Volksgerichtshof“ auftreten können.

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Zur Medienaffäre wurde die Sache aber erst, als sich der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger, ein ehemaliger FPÖ-Politiker, in der Sache äußerte. Er riet Wolf, dem er attestierte, er habe, das „Gefühl verloren, dass er vielleicht auch einmal unrecht haben könnte“, indirekt zu einer Auszeit: An dessen Stelle würde er „ein Sabbatical nehmen“, sagte Stegner.

Stegners Wort hat Gewicht. Der Stiftungsrat, dem er vorsteht , ist das oberste Aufsichtsgremium des ORF. Es entsteht der Eindruck, die Regierungspartei FPÖ wolle sich eines unbequemen Journalisten entledigen, an dem sie sich schon lange abarbeitet.

ORF soll aus dem Staatshaushalt bezahlt werden

Zuletzt holte sie sich dabei aber eine blutige Nase: Vergangenes Jahr musste sich kein Geringerer als der FPÖ-Chef und österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache bei Wolf entschuldigen. Er hatte auf Facebook ein Bild des Journalisten im „ZiB2“-Studio verbreitet und dazu geschrieben: „Es gibt einen Ort, wo Lügen und Fake News zu Nachrichten werden.“

Doch das gestörte Verhältnis von Teilen der österreichischen Bundesregierung zur Pressefreiheit geht über die Causa Wolf hinaus. So will die FPÖ die unbeliebte Rundfunkgebühr abschaffen und den ORF künftig direkt aus dem Staatshaushalt finanzieren. So könnte man aus Sicht der Rechtspopulisten den Sender enger an die Kandare nehmen.

Harald Vilimsky, Generalsekretär der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ.
Harald Vilimsky, Generalsekretär der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ. © Reuters | LEONHARD FOEGER

Auch in der christdemokratischen ÖVP, dem Koalitionspartner der FPÖ, gibt es Sympathien für dieses Finanzierungsmodell. Gegenüber dieser Zeitung verweist der Medienredakteur des überregionalen Wiener Blatts „Standard“, Harald Fidler, auf die wirtschaftsliberale Agenda von Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Warnung des österreichischen Presserats

Aus Sicht von dessen ÖVP seien die Attacken der FPÖ auf Wolf aber kontraproduktiv. Sie schürten eher Vorbehalte gegen eine direkte Staatsfinanzierung des ORF, so Fidler. Nicht nur der öffentlich-rechtliche ORF hat Probleme mit der Medienpolitik der Bundesregierung. Deren unter dem Schlagwort „Message Control“ zusammengefasste PR-Arbeit hat den Argwohn vieler Journalisten erweckt.

Der österreichische Presserat warnt beispielsweise: „Informationen von Regierungsstellen sind nicht immer ausgewogen und sollten von Medien nur nach eingehender Recherche und Überprüfung übernommen werden.“ Zudem verfügte das von der FPÖ geführte Innenministerium, regierungskritische Medien wie den „Standard“ oder das Magazin „Falter“ nur noch mit den allernötigsten Informationen zu versorgen. Diese Anordnung musste das Ministerium inzwischen zurücknehmen.

Österreich liegt auf Platz 16 der Pressefreiheit

Medienpolitik wird in Österreich aber auch mit Werbe-Etats öffentlicher Institutionen gemacht, die laut Fidler sich auf etwa 200 Millionen Euro summieren. Von diesen Geldern profitierten, so der Medienredakteur seit dem Aufstieg der FPÖ auch Online-Portale und Zeitungen vom rechten Rand wie Unzensuriert.at und „Wochenblick“. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Österreich übrigens auf Platz 16. Die Frage ist: Wie lange noch? (Kai-Hinrich Renner)