Berlin. Linken-Parteichefin Kipping fordert ein deutlich höheres Arbeitslosengeld. In seiner bisherigen Form sei es oft kein Schutz vor Armut.

Linken-Chefin Katja Kipping fordert eine deutliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes. „Das Arbeitslosengeld I schützt die Mehrzahl der Bezieher nicht vor Einkommensarmut“, sagte sie unserer Redaktion. Der Abstand zwischen dem Arbeitslosengeld und einem Einkommen, bei dem kein Armutsrisiko mehr bestehe, sei in den vergangenen Jahren größer geworden.

Diese „Armutslücke“ müsse geschlossen werden, so Kipping. „Ein erster Schritt dazu wäre ein Mindestarbeitslosengeld oberhalb der Armutsrisikogrenze.“ Die Pläne der Linken würden darauf hinauslaufen, dass das Arbeitslosengeld noch oberhalb der „armutsfesten Mindestsicherung“ von 1050 Euro im Monat liegen würde, mit der die Partei Hartz IV ersetzen will.

Arbeitslosengeld 1 sind 60 Prozent des letzten Nettos

Aktuell beträgt das Arbeitslosengeld I genau 60 Prozent des letzten Nettoentgelts eines Arbeitnehmers. Die neue Leistung müsse „in jedem Fall zu Einkommen oberhalb der Mindestsicherung führen“, forderte Kipping. Es wäre „gerecht“, wenn die meisten Berechtigten mit ihrem Anspruch über dem Mindestarbeitslosengeld liegen würden. Wie das rechtlich umsetzbar wäre, ließ sie offen.

Das Arbeitslosengeld I wird aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung bezahlt, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam aufgebracht werden. Allein für die reine Lohnersatzleistung gab die Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr rund acht Milliarden Euro aus. Zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen, die sie für die Bezieher von Arbeitslosengeld I übernimmt, waren es fast 14 Milliarden Euro.

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Kipping: „Armutsrisikogrenze“ in Deutschland bei 1100 Euro

Nach Berechnungen der Linken bekam ein Empfänger von Arbeitslosengeld I im vergangenen Jahr im Mittel 827 Euro ausgezahlt. Das bedeutet, dass die Hälfte der Arbeitslosengeld-Bezieher mehr und die andere Hälfte weniger als diese Summe bekamen.

Die so genannte „Armutsrisikogrenze“, unter der Menschen relative Armut droht, liegt in Deutschland nach Angaben von Parteichefin Kipping bei rund 1100 Euro. Sie bezog sich dabei auf die einschlägigen Berechnungsmethoden des Armutsrisikos. Danach droht Armut, wenn das Einkommen geringer ist als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens in Deutschland.

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Ostdeutsche Gutverdiener sollen Pläne mitfinanzieren

Kipping sagte, der Abstand zwischen den beiden Einkommenswerten habe sich in den vergangenen zwölf Jahren vergrößert und liege nun bei rund 270 Euro. Besonders ausgeprägt sei die Armutslücke bei Frauen. Besonders vergrößert habe sie sich bei über 55-Jährigen.

Zu den Kosten ihrer Pläne machte die Parteichefin keine Angaben. Zur Finanzierung schlug sie jedoch eine „geringfügige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze“ vor, was bedeutet, dass Gutverdiener und ihre Arbeitgeber mehr Geld in die Arbeitslosenversicherung zahlen müssten. Der Maximalbeitrag wird derzeit bei einem Gehalt von 6700 Euro brutto im Monat fällig, Kipping will diese Grenze anheben. Im Osten liegt die Beitragsbemessungsgrenze bei 6170 Euro. Diesen Unterschied will Kipping beseitigen, womit ostdeutsche Gutverdiener durch die Pläne besonders belastet würden.

Kipping fordert höhere Löhne bei unteren und mittleren Einkommen

„Die Arbeitslosenversicherung versagt in der Breite beim Schutz vor Armut“, sagte Kipping. „Niedrige Löhne und eine geschwächte Arbeitslosenversicherung sind eine sozial gefährliche Kombi. Sie führen zu Armut“, ist die Linken-Chefin überzeugt.

Sie forderte höhere Löhne in den unteren und mittleren Einkommensbereichen, unter anderem durch einen höheren Mindestlohn. Darüber hinaus müssten bestehende Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt behoben werden. „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit muss eine Selbstverständlichkeit sein“, so Kipping. Männer und Frauen müssten ebenso gleich bezahlt werden wie ostdeutsche und westdeutsche Arbeitnehmer. (fmg)