Berlin. Die Behörden setzen beim Kampf gegen Organisierte Kriminalität auf Nadelstiche. Die Opposition hält die Razzien für eine reine “Show“.

Shisha-Bar geschlossen, Wettbüro überprüft, Fahrzeug beschlagnahmt: Polizeimeldungen mit diesen Überschriften klingen nicht unbedingt nach einem Großeinsatz gegen das Verbrechen. In Berlin allerdings stehen solche Meldungen für eine Trendwende im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK), auf die die Bevölkerung viele Jahre vergeblich gewartet hat.

Inzwischen vergeht keine Woche, in der die Polizei nicht mindestens einmal allein oder in Zusammenarbeit mit dem Zoll und den Ordnungsämtern mit immer neuen Razzien vor allem gegen kriminelle Familienclans vorgeht.

Es ist eine Politik der kleinen Nadelstiche, die die Hauptstadtpolizei im Verbund mit Behörden praktiziert. Der Aufwand ist immens, der Erfolg scheint oberflächlich betrachtet oftmals gering. Aber die kriminelle Szene der Stadt ist in Bewegung. Ständige Durchsuchungen stören den reibungslosen Ablauf der Geschäfte, die häufige Präsenz der Polizei kratzt am Image der Clans als unantastbare Herren der Kieze und des kriminellen Milieus.

Notfalls 1000 Razzien gegen kriminelle Clans

Man wolle den zumeist arabisch-stämmigen Großfamilien „so viel Ärger und Angst wie möglich bereiten“, kündigte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Rande eines solchen Einsatzes an. Notfalls werde man 1000 Razzien durchführen, hieß es dazu aus Sicherheitskreisen.

Die Anlässe für die regelmäßigen Einsätze sind unterschiedlich. Mal geht es um Kontrollen zu Schwarzarbeit, mal suchen die Fahnder nach unversteuertem Shisha-Tabak, wie er in den einschlägigen Bars verwendet wird, mal steht eine Überprüfung zur Einhaltung des Jugendschutzes in Lokalen an. Und immer ist es ein Großaufgebot unterschiedlichster Dienststellen, das in Geschäften, Lokalen oder Privatwohnungen von Verdächtigen anrückt, mal kommen 50 Beamte, mal 350.

Neukölln als Stammort der Clans besonders im Visier

Anfangs konzentrierten sich die Behörden auf Razzien in Neukölln, dem Stammort der Clans. Inzwischen schlage sie aber auch in Charlottenburg, Mitte, Spandau oder Reinickendorf zu, überall wo die Clans aktiv sind.

Ein kleiner Überblick der Einsätze:

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Durchsuchungen sollen Clans ihre Grenzen aufzeigen

Die regelmäßigen Einsätze finden allerdings nicht nur ungeteilten Beifall. Mitglieder der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus bezweifeln vielfach den Nutzen der Maßnahmen, sprechen von „Show-Veranstaltungen“ und PR-Terminen für den Innensenator. Die Kriminalität sollte besser konsequent an der Quelle der Drogenszene oder des Rotlicht-Milieus bekämpft werden, sagte Marcel Luthe, Innenexperte der FDP. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) weiß um den immensen Aufwand, den eine personell unterbesetzte Polizei da regelmäßig betreiben muss.

„Derartige Maßnahmen sind unglaublich personalintensiv. Dennoch aber ist es wichtig, denjenigen, die Öffentlichkeit mögen, regelmäßig auch öffentlich die Grenzen unseres Rechtsstaates aufzuzeigen“, sagte Benjamin Jendro, der Sprecher der Berliner GdP, am Mittwoch.

Den Clans ihre Grenzen aufzuzeigen, ist jahrelang versäumt worden. Sie fühlten sich unantastbar und hatten auch kein Problem damit, selbst Polizeibeamte im Einsatz zu attackieren. Eine nennenswerte Reaktion von Staat und Politik unterblieb. Das allerdings hat sich inzwischen geändert.

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